Klassenfahrt ins Burgenland- mit ATROCITY auf dem NovaRock Festival 2009

 


Atrocity-Gitarrist und s2m-Kolumnist Tosso  präsentiert einen Auszug aus dem aktuellen Bühnenbild.
 

Am Freitag den 19. Juni heißt es für mich und meine Atro-Stadt-Kameraden „Servus in Österreich “ mit Destination Nova Rock Festival im tiefsten Burgenland. Hier ein kurzer Rückblick auf das Festivalereignis für unsere Alpennachbarn. Etwas verspätet und von zahlreichen Staus begleitet bewegt sich unser 11–köpfiger  Tourtross in drei Fahrgruppen aufgeteilt in 10 Stunden zum Zielort. Neben uns Bandmitgliedern sind auch noch Liv, die beiden Tänzerinnen Nadine und Julia sowie die Crew in Form von Stagemanager Björn, Monitormixer TomTom, Käfigmeister Dirk und Soundmann Arne mit dabei. Die schier endlos lange Fahrt ins österreischisch-slowakisch-ungarische Grenzgebiet versüßen uns diverse CDs von Liv, u.a. Black Sabbath, Ozzy, und Pink. Während Dirk und ich uns beim Fahren abwechseln, lernen sich auf den Rücksitzen unser norddeutscher Mixmaster Arne und unser texanischer Drum-Maniac Seven auf der Fahrt richtig kennen und schätzen und diskutieren gefühlte 3 Stunden über den optimalen Schlagzeugsound, haha.

 

Gegen 23 Uhr abends erreichen wir schließlich das Weingut Pasler und Bäk im idyllischen Städtchen Jois am Neusiedler See. Der rustikale und opulente Landhausbau empfängt uns dann sogleich mit einem leckeren Schlückchen hauseigenem Wein, zu dem wir uns gerne überreden lassen. Während Gitarrenkollege Matze und Crew bereits 30 Minuten vor uns eingetroffen sind, kommen gegen 1 Uhr nachts auch Liv, Alex und die beiden GoGos Nadine und Julia im Bachus-, Wein- und Lusttempel des Burgenlandes an. Da es schon sehr spät ist, müssen wir leider auf einen Abstecher zum Festivalgelände zwecks Slipknot und Metallica gucken verzichten, obwohl Joey Jordison ein langjähriger Weggefährte von Seven ist, und Joey und Mick von Slipknot große Verehrer der ersten Atrocity-Scheiben zu Beginn der 90er Jahre sind. Doch auch im Weingut ist Spaß angesagt, schließlich sind auch noch andere Bands des Festivals hier eingecheckt, u.a. die äußerst sympathischen Kollegen von Lacuna Coil. Und so wird für einige von uns die Nacht relativ kurz, da wir bereits am Samstagvormittag zum Festivalgelände müssen. Showbeginn ist nämlich bereits um 14.30 Uhr. Wegen der langen Fahrt habe ich etwas Mühe einzuschlafen und gucke deshalb mit Dirk noch alte Disco, Disco-Sendungen aus den 70ern mit Ilja Richter in der Glotze, bevor auch meine Äuglein müde werden.

 

Nach einer kurzen Lagebesprechung beim Frühstück zieht unser Tourtross zum Festivalgelände. Dort angekommen sticht erst einmal das komplett eingematschte Festivalgelände, aber auch die extrem gute und freundliche Organisation des Festivals ins Auge. Beim Anblick des Musikschlachtfeldes dämmert mir, dass es eine extrem beknackte Idee war das Festival mit den modisch schicken Totenkopf-Converse-Chucks zu betreten. Jugendlicher Leichtsinn von rothaarigen Ü30-Tossos. Welcome onboard! Moonboots oder Gummistiefel wären hier die deutlich bessere Wahl gewesen. Glücklicherweise gibt es aber für so coole und wichtige VIPs wie mich backstage Shuttlebusse, die uns durch die Schlammwüste zur Bühne bringen, und so fasse ich doch wieder Vertrauen in mein geschmeidiges Schuhwerk. Die Zeit vergeht nun wie im Fluge. Nach ein paar kurzen Wortwechseln mit alten Bekannten müssen wir recht zügig zur Bühne, wo es leider wie am Vortag immer noch regnet. Während Eisbrecher mit ihrem groovigen Industrial-Metal für Stimmung sorgen, nutze ich neben der Bühne die Zeit nochmal meine Gitarre zu stimmen und meine Hände etwas aufzuwärmen. Es gibt schließlich nix schlimmeres als mit kalten Händen Gitarre zu spielen. Dann ist es soweit: Zum Kill-Bill-Intro entern Nadine und Julia äußerst sexy die Bühne, bevor wir mit „The Great Commandment“ die Show und Party starten. Das Bühnenbild mit riesigem Backdrop, 4 Sidedrops und den beiden Bühnenkäfigen sieht extrem mächtig aus. Drummer Seven wird während der Show immer wieder von Nadine und Julia angedanct, worauf er nach der Show trocken entgegnet: I really had problems to concentrate on drums with all these tits and asses around me“ hahaha... die blumige englische Sprache. Da immer mehr Besucher zur Red Stage strömen und die Bühne riesig ist, habe ich richtig Spaß auf der Bühne. Besonders Laune machen mir heute „Fade to grey“ und „Send me an angel“. Alex versteht es die durchnässte Meute aufzupeitschen und zu dirigieren, während Gitarrenkollege Matze mit seinem Wireless System zu kämpfen hat und schließlich auf „Kabel“ umsteigt. Unser vierzig-minütiges Set wird einmal mehr von „Shout“ beschlossen, welches wir heute mit einer „Metallica-Creeping-Death-Hommage“ beenden. Zu ungewohnt früher Stunde, ganz rocknroll-unlike, ist somit heute bereits kurz nach 15 Uhr Showende.
 

Nun ist endlich Zeit sich über das extrem leckere Buffet herzumachen, wo ebenfalls wieder die Kollegen von Lacuna Coil besonders hervorstechen, wenngleich auch diese dem gestrigen Abend etwas Tribut zollen müssen. Da Alex zum Zeitpunkt des Festivals noch die neue Leaves Eyes–Platte NJORD zu Ende mixen muss und einige Atro-Crewleute am nächsten Tag wieder arbeiten müssen, setzt der Großteil unseres Trosses bereits heute zur Heimreise an. Lediglich Seven, Dirk und ich beschließen erst morgen die Heimreise anzutreten, und noch ein paar Bands zu gucken. Besonders gut gefallen mir die Shows von Dredg und Chickenfoot. Während der Show von Chickenfoot lernen Dirk und ich den sympathischen „Burnin Benny“ kennen. Benny ist am Donnerstag, als die Sonne noch erbarmungslos auf das Festivalgelände herunterknallte, in der Sonne eingeschlafen, trägt deshalb einen 1.weltkriegsartigen Kopfverband, unter dem seine violett mutierte Haut sich von einer schweren Verbrennung 3. Grades erholt. Trotzdem ist FeuerBenny tapfer beim Festival geblieben und offeriert uns netterweise einen sichtgünstigen Stehplatz. Neue Freundschaften entstehen. Während Benny sich bei Chickenfoot an Accept (O-Ton: Akzebt) erinnert fühlt, findet Dirk dass Sammy Hagar wie Thomas Gottschalk auf LSD aussieht. Ich wiederum finde Joe Satriani als Bandgitarristen wesentlich interessanter als auf seinen Soloscheiben und stelle fest, dass Ex-VanHalen-Basser Mike Anthony tatsächlich auch live so hohe Backgroundvocals wie auf den alten Van Halen- Platten herausquietscht. Geil! Gegen später wird der Lacuna Coil-Backstageraum zum Treffpunkt. Da die Italo-Boys and -Girls bereits Richtung Hotel entschwunden sind, treffen wir hier auf die Jungs von Dimmu, auch die komplett nicht-englisch-sprechenden Dir En Greys inklusive Anti-Schweinegrippen-Mundschutz schauen vorbei. Ich treffe auch meinen alten Kumpel Martin Müller, der als Lichttechniker für Dimmu dabei ist, und mir von seinem letzten Job in Schweden erzählt, wo er plötzlich durch das Dorf Lönneberga fuhr und aufgeregt seine Mutter anrief und sagte: „Mama, du glaubst nicht wo ich grade bin“... haha.. natürlich im Heimatdorf des „Punkrockers“ Michel von Lönneberga, der im Übrigen im Schwedischen gar nicht Michel sondern Emil heißt. Kurz vor Mitternacht gelingt es mir und Dirk, Seven von seinen zahlreichen Freunden und Bekannten aus Amiland loszureißen und Richtung Hotel/Weingut aufzubrechen. Seven wird noch zu einer seltsamen Schlagertanzveranstaltung am Ende der Straße einkehren, während Dirk und ich uns erneut über den leckeren Wein im Weingut hermachen.

 


Brachten nach Aussage unseres schwäbischen Augenzeugen Neu-Drummer Seven Antonopolous fast aus dem Takt: Die Atro-Tänzerinnen Julia und Nadine.
 


Tosso mit "Burning Benny"

Am nächsten Tag treten wir frühzeitig die Heimreise an und sind nach knappen 8 Stunden Fahrt wieder zurück in der schwäbischen Heimat. Alles in allem kann ich das NovaRock Festival als eine Art westungarische/burgenländische Variante von Rock am Ring schwer empfehlen. Das diesjährige LineUp mit Metallica, Slipknot, Faith no More, NIN, Disturbed und Limp Bizkit und vielen anderen war jedenfalls absolute Sahne. Organisatorisch, landschaftlich und stimmungsmäßig ist dort auch alles im grünen Bereich. Lediglich die recht weite Entfernung der beiden Stages müsste meiner Meinung nach verringert werden, damit man alle Bands ohne Stress gucken kann. Ansonsten Daumen hoch fürs NovaRock und gerne wieder auf ein Neues in 2010.

 

Euer Tosso