Leaves' Eyes in den USA 2007 - die Wikinger im Wilden Westen

  

 


Gastautor und sounds2move-Kolumnist: Tosso von Leaves' Eyes
 

LEAVES' EYES in Amerika. Bereits zum dritten Mal und im dritten Jahr in Folge machten wir uns Mitte August auf den Weg zu einem neuen Tourabenteuer im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Nach bereits 6 Wochen gemeinsam absolvierter Europatour in der ersten Jahreshälfte ging es erneut mit unseren Freunden von Kamelot auf 4-wöchige USA-Konzertrundreise. Im Folgenden einige Eindrücke von diesem roadmovieartigen Tourtrip.

 

Mit an Bord im Tourbus waren neben uns Bandmitgliedern diesmal Bühnentech Björn, Merchgirl Sarah, Leon (Alex’ und Livs Sohn bereits auf 2. USA-Gastspielreise) sowie dessen „Kindermädchen“ Malle. Der pechschwarze und panzerartige Tourbus selbst inklusive sehr coolem und irischem  Busfahrer John ließen mal wieder keine Wünsche offen. Die geräumige Busfrontlounge mit Küchennische, der durch Türen abtrennbare Schlafbereich, sowie eine gemütliche Backlounge sorgten für entspannte Atmosphäre im Bus. Besonders angetan hatten es mir die schicken Live-Videos auf VH1 von Bands wie AC/DC, Deep Purple etc., sowie „The Rock of Love“ eine Reality-Soap, in der Brett Michaels (Sänger von Poison) sich jede Menge Mädels einlädt, auf deren Vorzüge überprüft und eine Glückliche zu seinem neuen Girlfriend kürt …au mann, das Poser Rock Pendant zu „Flavour of Love“.

 

Mitten im Sommer durch Amerika zu touren bedeutet, sich klimatisch zwischen angenehmen Urlaubstemperaturen bis hin zu unerträglichen 60 Grad-Wüstentemperaturen zu bewegen. Speziell Arizona und die Reise durch die Mohavi-Wüste  bei brütender Hitze verlangten dem kompletten Tourtross alles ab. „Can you feel the heat, baby?“

 


Safety first: Basser Chris und eine Neuinterpretation
der Twin-Towers.

Metal-Frontmänner unter sich: Alex Krull (Leaves' Eyes / Atrocity
mit Roy Khan (Kamelot)
 

Biker-Talk: Matze (Mitte) und Tosso im Gespräch mit
einem Veteran der Straße

 

Vom Opernsaal zum Stripclub

 

Ich kann mich übrigens schwerlich an eine Tournee erinnern, in deren Verlauf wir solch unterschiedliche Venues bespielt haben. Da sind zum einen natürlich die genialen  Konzerthallen wie der Key Club in Los Angeles (in unmittelbarer Nähe zum 80ies-Glamrocktempel Whiskey a GoGo), das B.B. Kings in New York oder der Pearl Room in Mokeena / Chicago, sowie generell die Venues in Kanada. Aber auch bizarre Läden wie „Marks Place“ in Bedford, einem Hybrid aus Musik- und Stripclub. Durch Gänge und Türen verbunden kann man hier in den Genuss von beiden Entertainmentbereichen kommen. Im Gentlemenbereich des Etablissements treffe ich den Schlagzeuger unserer lokalen Vorband 5 Minuten vor deren Show, während dieser spärlich bekleideten Damen Dollarnoten zusteckt und mich in die Geheimnisse der Lokalität einweiht: „Today is two for Tuesday- i love this place!“, womit er mir zu verstehen gibt, dass man an diesem segensreichen Dienstag einen doppelten Lap dance für die Kohle des Einzelangebots erhält!? Au mann, wo bin ich hier gelandet!? Während der (Musik-) Show fliegt auch noch ne echte Fledermaus über die Köpfe der Besucher hinweg. Sehr bizarr und irgendwie an den Tittie Twisterclub aus „From dusk til dawn“ erinnernd. Marks Place ist die Vorlage zum Film, hehe.

 

Auf unserer 3. USA-Tour treffen wir auch wieder viele bekannte Gesichter und Freunde. Da ist zum Beispiel Eric, der seinen Chrysler Cruiser in ein Vinland-Saga-Mobil verwandelt hat, samt allen Artworkdetails und einer am Heck befestigten Leaves' Eyes-Tourleuchtreklame. Oder Joe und Naomi, mit denen es nach der Fort Worth Show noch nachts um 3 in den Wal Mart geht, wo ich Obst und amerikanische Gitarrenmagazine erstehe, Basskollege Chris einen Käscher für  Flusskrebsexpeditionen. In Los Angeles treffen wir Maria und Anna, ehemals von der schwedischen Band Drain beim Italiener zum gemütlichen Plausch.

 

Da die beknackte Flugcompany mit den 3 Buchstaben beim USA-Hinflug 2 unserer Equipmentcases inklusive Gitarren, Mikros und Senderanlagen verloren hatte und diese erst in der dritten Tourwoche wieder bei uns eintreffen, sind wir zu Beginn der Tour zu einigen Improvisationen gezwungen. Ich persönlich habe noch Glück: Thomas von Kamelot leiht mir für 2 Shows seine Gitarre und die hinreißende Gitarrencompany mit den 3 Buchstaben sponsort uns ab Tourtag 3 zum Trost 4 neue Gitarren…yeah…rockstar feeling! Ärgerlicher ist es dagegen für Alex und Liv, die  teilweise auf äußerst übelriechende Vor-Ort- Mikrofone zurückgreifen müssen (niemand will wissen welche hässlichen Geschichten diese Mikros erzählen könnten, hehe), und sich selbst ihr In Ear Monitoring System irgendwie zusammenbasteln.

 


Alex mit dem Besitzer des auffälligen
Leaves' Eyes Fanmobils
 

Liv Kristine und Alex in den Hollywood Hills

Norweger in Amerika: Roy Khan
(Kamelot) und Liv Kristine

 

 

Keep on rockin in the free world

 

Unser Set auf dieser US-Tour startet nach dem Vinland-Saga-Intro mit „Farewell proud Men“ und bietet einen bunten Streifzug durch unsere beiden Longplayer, wobei diesmal aber auch erstmals „Skraelings“ und „The Crossing“ von der „Legend Land“-EP mit am Start sind. Highlights sind ganz klar der von Alex dirigierte Mitgröhlschlachtsong „New Found Land“, das von Liv stimmungsvoll intonierte „Into your Light“ sowie die Gassenhauer „Solemn Sea“ und „Elegy“. Es ist toll zu beobachten wie viel Spaß die US- Fans mit Leaves'’ Eyes haben, wobei vor allem Livs Gesang und Ausstrahlung sowie Alex energiereiche Powerperformance das Publikum in den Bann zu ziehen scheint. Aber auch musikhandwerkliches Geschick wird in Amerika geschätzt, was sich z.B. in immer wiederkehrenden „bass solo“ –Rufen an die Adresse von Krebsforscher und Basskollege Chris niederschlägt. Gitarrenkollege Matze, von Blind Guardians Manager auch „Der Kugler“ aufgrund seiner unglaublichen Bühnenbeweglichkeit genannt hat, weiß jeden Abend bei seinem „Elegy-Solo“ inklusive todesverachtendem 5 Halbtonbending zu glänzen. Meine Wenigkeit wird wieder mal bei jedem 2. Konzert als Dave Mustaine begrüßt. Tatsächlich gelingt es mir auch nach einer Show mich glaubhaft als dessen von der Familie verstoßenen Halbbruder auszugeben, um danach den Fake aber aufzulösen, hehe... german sense of humour in the USA. Auch die Besucherzahlen und Publikumsreaktionen auf dieser Tour sind mehr als zufriedenstellend. So sind in New York beispielsweise 1000 Fans am Start und auch der Rest der Tour steht dem in nichts nach. Lediglich in Detroit müssen wir dem Umstand Tribut und Zuschauerzahlen zollen, dass das Ozzfest am gleichen Tag dort Station macht wie wir.

 


Im Herzen noch immer Poser: Matze von Leaves' Eyes

Meister Krull rüstet nach Equipmentverlust nach ;-)
 

Alex mit Thomas Youngblood von Kamelot

 

 

Touring, Travelling, Sightseeing
 

Auch auf dieser Tour versuchen wir wieder einmal das angenehme mit dem notwendigen zu verbinden. Da stehen zum Beispiel der obligatorische Manhattan-Trip inklusive Naked Cowboy-Besuch (siehe Leaves' Eyes USA-Tour 2006 Video auf www.leaveseyes.com) auf dem Programm. Ein irrwitzig heißer und an Glamour kaum zu überbietender Day Off in Las Vegas, das mit seinen verschwenderischen Hotelshows im Treasure Island oder Mirage sehr stark ans alte Rom erinnert: Brot und Spiele... yeah!! Kollege Matze gibt den smarten Zocker und zaubert am Roulettetisch aus 50 Dollars 100 George Washingtons, was ihm von seinen Mitspielern am Tisch einigen Respekt einbringt. Im Gegensatz zu Dolly, der Groupiersfrau, die Matze immer wieder auf die Finger klopft, weil er seine gewonnenen Spielchips zu schnell und ohne Dollies "Go" einsammelt. Nach Siegfried und Roy ein weiterer Deutscher, der in der Entertainmentmetropole eine Duftmarke hinterlässt, hehe. Wir stürzen uns in Venice Beach in die nicht zu unterschätzenden Wellen und fahren durch die beeindruckenden Rocky Mountains und stoppen im imposanten Monument Valley in Utah. Erwähnenswert auch das herrliche San Antonio mit seinem einzigartigen Flussverlauf durch die Stadt und seinen französisch- italienisch-deutschen Einflüssen. Fast schon surreal und halluzinatorisch ohne Drogen dagegen dann der Trip durch die Mohavi-Wüste in Arizona bei 60 Grad.

 


Chris und Matze in der Glitzerwelt
von Vegas

Always play to win: Matze kurz bevor ihm
das Casino überschrieben wird ;-)
 

Für's Familienalbum: Sängerin Liv mit Göttergatte Alex

 

 

 

Special Moments

 

Natürlich bleiben auch bei dieser Tour allerlei witzige bis skurille Momente nicht aus. So fällt wie aus heiterem Himmel während "Oceans way" in Fort Worth eine riesige Kakerlake direkt in den Ausschnitt von Livs Kleid... allerhöchsten Respekt, dass sich Livs erhabener Soprangesang in diesem Moment nicht zu einem schrillen Ton des Entsetzens entwickelt. Das nenn ich mal professionell, hehe. Es muss dazu gesagt werden, dass es zur Sommerzeit in Texas diese Kakerlaken in einer Anzahl gibt wie Michael Schuhmacher-Fans in Kerpen. In New York fragt mich der Security-Mensch (5x so breit und doppelt so groß wie ich) des B.B. Kings Club: "What about communism in Germany? Still there? A bad thing… I have seen it on TV" . Schon witzig...wie sich die Amis Deutschland so vorstellen. Ebenfalls erwähnenswert der verzweifelte Versuch von Alex in der Kneipengegend von Montreal trotz nahendem Soundcheck eine Live-Übertragung des Fußballspiels Deutschland gegen England auf der Mattscheibe zu organisieren. Letztlich blieb nur die Wiederholung auf einem anderen Sender spät abends im Bus… mit dem Sieg über England war unser irischer Busfahrer  John jedenfalls auch recht glücklich, während nur der alpine Schlagzeugkollege Mo die gute Stimmung zu trüben versuchte (O-Ton: Deitschland is no nit qualifiziert für die EM… die Austria schon). Zudem unterstützte Alex Abend für Abend unsere Freunde von Kamelot bei deren letztem Song  "March of Mephisto". Dies ermöglichte es mir nach der Atrocity-Todessehnsucht-Release Party 1992, meinem Kollegen Alex mal wieder aus der Sicht des Publikums beim Toben auf der Bühne zuzuschauen. Sehr lustiges Gefühl.

 


Wikinger werden zu Wüstensöhnen - Leaves' Eyes irgendwo
in Utah
 

Macht sich gut im Lebenslauf: Leaves' Eyes im
legendären B.B. King Club

Gruppenfoto: Leaves' Eyes und Kamelot

 

Nach den Shows in Texas fliegen wir dann am 11. September vom George Bush Flughafen in Houston zurück nach Deutschland...und kommen auch ohne terroristische Zwischenfälle heil und mit etwas Jetlag in der Heimat an. Ein großes Dankeschön gebührt den amerikanischen Leaves' Eyes-Fans und unseren Freunden von Kamelot für diese erfolgreiche und stimmungsvolle US-Tour. Sicherlich gibt es weitere gemeinsame Konzerte in der Zukunft. Während ich diese Zeilen schreibe, laufen bereits die Vorbereitungen für die Leaves' Eyes-DVD-Show in Belgien beim Metal Female Voices Festival. Zudem steht das Abschlusskonzert der World-Tour von Blind Guardian, unseren USA-Tourpartner von 2006, zusammen mit Leaves' Eyes ebenfalls vor der Tür.

 

Euch viel Spaß beim Lesen und liebe Grüße

 

Tosso von Leaves' Eyes // Fotos: Leaves' Eyes

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