Secondhand Child – Listening Session 2011

 

Auf dem Vorgänger „What do you live for?“ wussten Secondhand Child vielleicht selbst noch nicht so ganz hundertprozentig wohin die Reise denn nun gehen soll. So wollten die Baseler ihre Punkwurzeln nicht verleugnen und nannten ihren Stil pragmatisch „Punk Metal“. Dabei wäre man auch mit Thrash oder schlicht „Metal“ gut, wenn nicht sogar besser gefahren. Jetzt steht mit „Chapter One: Spontaneous Human Combustion“ der zweite Langspieler (im Grunde aber das erste richtig ambitionierte Werk) bereit, der möglichst noch 2011 erscheinen soll. Die Scheibe ist fix und fertig, man suchte bis vor kurzem nur noch nach dem passenden Labelpartner, um das Teil an den Mann bzw. die Frau zu bringen und ist bei Metalfreak Records mittlerweile fündig geworden. Wie Secondhand Child mit ihrem neuen Gesangsduo (seit diesem Jahr gehört mit Steve Salama ein zweiter Sänger zur Band) und fünf Jahre nach dem undergroundigen Debüt klingen, konnte sounds2move als einziges Magazin überhaupt schon jetzt in Erfahrung bringen.

 

 

 

Tribute to the Day we were born:

 

Eine recht simple Gitarrenmelodie eröffnet den Song, die sich erst wiederholt und dann gedoppelt wird. Die Drums bauen dazu langsam Spannung auf. Bevor man vollends eingelullt wird, legt die Nummer dann aber richtig los, und Secondhand Child präsentieren eine Kreuzung aus Crossover und Metal, bevor sich der Song wieder eine kurze Auszeit nimmt. Ein angedeuteter Rage Against the Machine-Groove ist ebenfalls auszumachen. Für den Opener hätte man vielleicht doch eine schnittigere, direktere Nummer auswählen können. Beileibe kein schlechter Song, aber zu zerfahren, um den Hörer auf der Stelle bei den Eiern zu packen, wie es sein sollte. Außerdem tönen die Toms für meinen Geschmack etwas zu dominant.

 

 

C.C.L.:

 

Wer hat denn da bei Papa Roach gespickt? Wer behauptet, das Eröffnungsriff würde nicht nach „Broken Home“ schmecken, der lügt. Jedoch verfliegt dieses Zitat so schnell wie es aufgekommen ist, und Secondhand Child verlegen sich auf moderne Gitarren mit leichtem Melodic Death-Aroma. Höhepunkt ist ein kurzer Ausflug ins Reich der New Metal-Glanztage, angedeuteter Sprechgesang und ein cooler Dicke-Eier-Groove inklusive.

 

 

Long black Hair:

 

Und täglich grüßt der Groove. Schon jetzt wird deutlich, dass die Schweizer vor allem im Bereich wippende Knie und zuckende Nacken alle Trümpfe in der Hand haben. Wenn nach etwas über einer Minute dann das Tempo angezogen wird und die Leadstimme auf Harmonie umschaltet, hört man gerne genauer hin.

 

 

Ink Heart:

 

Das Surren zum Auftakt dürfte ein Tätowiernadel sein, was angesichts des Titels durchaus Sinn ergeben würde. Im Mittelpunkt auch diesmal – Überraschung – ein knackiger Groove. Scondhand Child brechen inhaltlich eine Lanze für den Körperkult rund um Tattoos und die damit verbundenen Vorurteile. Cool wird es gegen Ende, wenn die Gitarre mit netten Harmonien aufwartet. Warum nicht öfter derartige Gitarrenarbeit?

 

 

Blissful Ignorance:

 

Thrashige Parts wechseln sich mit Fußwipper-Midtempo ab. Richtig Stimmung kommt in die Bude, wenn im Mittelteil die Axt mehr zeigen darf und uns eine schmissige Melodie präsentiert. Was im soliden Mittelmaß beginnt, entpuppt sich schnell als der Hit unter den bisherigen Songs. Mehr davon!


 

Never die alone:

 

Im Gleichschritt geht es los, man hört irgendjemanden marschieren. Gesprochene Passagen prangern Missstände an, bevor die zweite Stimme mit aggressivem Unterton dazu stößt. „Never die alone“ zeigt erstmals richtig auf, welche Möglichkeiten Secondhand Child durch ihre zwei Sänger eigentlich haben. Während Neuzugang Steve Salama die „Kommentare“ und normalen Gesänge übernimmt, gibt Kurt Meinicke den düster-bösen Gegenpart, heisere Screams inklusive. Der zweite Volltreffer in Folge.


Exklusiv: Das Cover zum neuen Secondhand Child-Album (VÖ 31.10.2011)

 

Blackout:

 

Rockige Gitarren und galoppierende Drums sorgen für Drive, es scheint als seien die Baseler nach den beiden Nummern zuvor nun endgültig in Wallung gekommen. Die Hooks sind da, der melodische Gesang passt, die kurzen Screams kommen zur rechten Zeit. Gegen Ende kommt ein klassischer Mitklatsch/Fäuste-in-die-Lust-Moment, der wie gemacht scheint für kommende Live-Shows.

 

 

Envy:

 

Schleppender, schwerfällig-bedrohlicher Headbanger mit theatralisch-episch anmutenden Höhepunkten („This is not the End“). Anders als die vorherigen Songs, aber nicht schlecht. Schimmern hier etwa minimale Doom-Vorlieben durch? Zu sehr eingelullt wird hier aber niemand, denn die letzten dreißig Sekunden werden noch mal kompromisslos durchgethrasht.

 

 

Laid to Rest:

 

Daran schließt der bereits bekannte Video-Vorabtrack „Laid to Rest“ (vom Soundtrack zum gleichnamigen Film) wunderbar an, der mit einer kurzen Spieluhreinlage beginnt, dann wunderbar eingängig voran geht und den Angriff aufs Langzeitgedächtnis startet. Unbestritten einer der Hits von „Chapter One“, der einerseits hervorragend hinter „Envy“ passt, andererseits für einen Rausschmeißer eigentlich viel zu schade ist. Mal sehen, ob sich an der Songreihenfolge bis zur Veröffentlichung noch etwas tut. So oder so ein Höhepunkt.

 

 

Abgerundet wird „Chapter One: Spontaneous Human Combustion” durch zwei Neueinspielungen bereits bekannter Songs von der Gratis-EP „We’ve never been here“. „Going Postal“, eine quasi-Verbeugung vor dem Uwe Boll-Streifen „Postal“, hat in seiner ursprünglichen Form bereits ordentlich Dampf im Kessel und dürfte von der Hinzunahme einer zweiten Stimme sogar noch profitieren. Gleichzeitig ist es der wohl härteste Song, den Secondhand Child bisher aufgenommen haben, was hoffentlich auch im Remake so geblieben ist. Obendrauf gibt’s noch die 2011er Version von „Global Suicide“, und fertig ist das erste „richtige“ Album der Schweizer.

 

Dass „Chapter One“ schon bald erscheint, hat sich inzwischen geklärt und der 31.10. als Stichtag ausgegeben. Festzuhalten ist, dass man mit diesem von V.O. Pulver (Gurd) produzierten Longplayer Aufmerksamkeit verdient hat. Er rollt beim exklusiven Vorabhören in der gegenwärtigen Reihenfolge zwar etwas sperrig an, steigert sich dann aber mit den bereits erwähnten Hits deutlich und hinterlässt so einen guten Eindruck. Tendenz: Geheimtipp mit dem Zeug zum Überraschungserfolg, wenn man bereit ist sich und dem Album ein paar Durchläufe Zeit zu geben.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de

 

 

Link: www.secondhandchild.ch