Deathbringer from the North - das große sounds2move-Special zu "From Afar" von Ensiferum

GRUPPEN-REVIEW   //   ENSIFERUM-DISCOGRAFIE-SPECIAL

Seit ihrem Debut aus dem Jahre 2001 haben sich Ensiferum zu Recht eine große Fanschar aufgebaut. Ihr eigener und jederzeit aus der Masse differenzierbarer Stil wurde über die Jahre hinweg verfeinert und liebevoll ausgebaut, so dass die Meute nun mit dem 4. Ensiferum Album „From Afar“ beglückt wird. Vieler Plagiate und eines kollektiven kreativen Selbstmordes des Genres zum Trotze machen Ensiferum  einfach weiter und schreiben ein richtig starkes Album.  Nach einem melodiegeschwängertem und ruhigem Intro namens „By The Dividing Stream“ eröffnet der Titeltrack „From Afar“ den eigentlichen Reigen. Hier bahnt sich gleich eine kleine Überraschung an, denn Ensiferum sind immer noch jederzeit als solche identifizierbar, aber das Volumen an Keyboardelementen und symphonischen Einsprengseln hat mehr als spürbar zugenommen. So präsentiert sich „From Afar“ zwar wie üblich recht folkig, der Bombast verleiht der Band aber durchaus ein angenehmes Element. Ich möchte hierbei betonen, dass Bombast bitte nicht im überkleistersten Sinne von Equilibrium und Konsorten zu sehen ist. Vielmehr sind die bombastischen Elemente und orchestralen Schnipsel jederzeit songdienlich eingesetzt und verleihen dem Opener durchaus etwas Erhabenes. Verstärkt wird dieser Eindruck durch dezenten Choreinsatz. Typisch Ensiferum und dennoch irgendwie etwas anders. „Twilight Tavern“ ist deutlich power-metallischer ausgelegt, Chöre dürfen neben ausgeprägten Melodien auch hier nicht fehlen. „Twilight Tavern“ gehört dabei für mich zu den eher Ensiferum-typischen Liedern, wenn…ja, wenn nicht ein interessanter choraler Mittelpart diesen Eindruck stören würde. Es ist mehr als eindeutig heraus hörbar: Ensiferum möchten sich weiter entwickeln, ohne ihre Wurzeln zu leugnen. „Stone Cold Metal“ könnte das auf Ensiferum übertragene „Metal is forever“ von Primal Fear sein – musikalisch natürlich voll auf Ensiferum getrimmt. Dies ist zwar ein absurder Vergleich, denn Ensiferum wirken hier bei weitem nicht so kitschig, sondern ziehen ihre Musik relativ souverän durch. Trotz einiger gelungener Spannungsbögen möchte sich der Song über seine 07:25 Minuten nicht vollständig entfalten. Ein längerer Zwischenpart, der mich irgendwie sehr deutlich an alte Wildwestfilme erinnert, stört den Songfluss. Ensiferum bemühen sich zwar, aus diesem Zwischenpart einen Spannungsbogen zu kreieren, aber dies funktioniert leider nicht ganz. Nichtsdestotrotz ist der Wille zur stilistischen Ergänzung auch hier unüberhörbar. „Smoking Ruines“ ist ein eher im Midtempo angelegter Song, der zum Mitsingen einlädt. Hier geschieht nichts Besonderes oder Spektakuläres; muss aber auch nicht passieren, denn dieser Song überzeugt auch ohne neue Elemente.  Höhepunkt ist der 13 Minüter „The Longest Journey“ bei dem Ensiferum all ihre Schaffensperioden und stilistischen Merkmale sammeln und konzentrieren. Konzentrieren auf 13 Minuten, ohne zerfahren und zerfleddert zu wirken? Jawohl, das funktioniert eindrucksvoll, hört es euch an. "The Longest Journey“ beendet ein starkes Einsiferum Album auf würdige Art und Weise. Ich muss gestehen: Das Debut hat mich seinerzeit umgehauen und seitdem haben Ensiferum nie wieder das Niveau erreichen können. Mit „From Afar“ kommen sie zumindest wieder in die Nähe – auch wenn beide Alben nur noch schwer miteinander vergleichbar sind; obwohl beide Werke sofort als Ensiferum identifizierbar sind.

 

Christian Stiewe

 

Eine neue Ensiferum. Oha. Nachdem man den Trennungsschmerz von Jari Mäenpää mittlerweile doch überwunden haben dürfte, erscheint die Hoffnung auf ein gutes Album der Finnen gar nicht so absurd. Die ersten paar Sekunden ernüchtern. Und zwar auf die eine Art, wie es heute leider viel zu oft der Fall ist: Was aus den Boxen plärrt, ist unverkennbar die Band, wie sie von jedem anderen ihrer vorhergegangen Album klingt. Und zwar so unverkennbar, dass bereits das Intro von jedem anderen bisherigen Schwertträger-Album stammen könnte. Der folgende Titeltrack schlägt in die gleiche Kerbe. Das dritte der neun Lieder („Twilight Tavern“) macht’s dann etwas besser, die Melodie ist nicht ganz so ausgelutscht, und mittig überzeugt ein schöner Frauenchor. Nett. Das überepisch lange „Heathen Throne“ ist nicht Ensiferum-typisch beschwingt, sondern schön gemächlich. Leider aber ziehen sich die 11 Minuten ohne Spannung, bemerkenswerte Atmosphäre oder sonstigem Wiedererkennungswert dahin – das Brutale: mit „The Longest Journey“ folgt am Ende der Platte Part II von inkarnierter Langweile. Mit „Elusive Raches“ ist man wieder im Element, vergisst aber einmal mehr den Mut zur Innovation. „Stone Cold Metal“ stellt dann meinen persönlichen Liebling dar. Eigentlich haben’s mir nur die in der Mitte gelegenen zwei Minuten angetan, wo sonst pfeift einem umgeben von Folk-Kost plötzlich eine Westernmelodie um die Ohren? Wobei hier das „pfeifen“ wörtlich genommen werden darf. Ergänzt wird die Melodie von Perkussion, Piano und einer schön groovenden Bassgitarre. Anschließend zieht man wieder gewohnte Bahnen, bis dann unverhofft ein verrückter Banjo-Saiten-Zupfer das Langschiff entert. Witzig! Damit hat es sich aber ausgespaßt (der überlange Track zum Schluss hätte man sich getrost schenken können, ist so kaum der Worte wert) und es ist Zeit für ein Fazit: Fans kaufen; der Rest lässt den Silberling im Markt stehen.

 

Micha Käser

 


Das Coverartwork von "From Afar" (VÖ 11.09.2009)

Ensiferum scheinen mir so etwas wie die AC/DC des folk-inspirierten Melodic Death Metal zu sein. Wenn man einen neuen Song der Finnen vorgesetzt bekommt, weiß man in der Regel binnen kürzester Zeit mit wem man es zu tun hat. „From Afar“, so der Name von Album Nr. 4, macht da keine Ausnahme und bietet stets Melodie-orientierten Stoff, der gleichermaßen hymnisch wie episch und natürlich mitsingbar ist. Unüberhörbar zählen (ältere) Amorphis zu den bevorzugten Inspirationsquellen, womit man schon mal kaum etwas falsch machen kann. Und doch haben Petri Lindroos, seit einigen Monaten ausschließlich in Diensten von Ensiferum, nachdem er bei den Landsleuten Norther seinen Hut genommen hat, und die anderen Nordmänner natürlich längst ihre ganz eigene Klanglandschaft gezeichnet. Davon weicht „From Afar“, das gekonnt von Hiili Hiilesmaa klangveredelt wurde, erwartungsgemäß keinen Fuß breit ab (einzige Ausnahme ist der Mittelteil von „Stone Cold Metal“), was wohl weder Kritiker noch Fans in irgendeiner Form überraschen wird. Die Gassenhauer und Live-Granaten der Zukunft hören diesmal übrigens auf die Namen „Twilight Tavern“ (sehr schmissige Mitgröhlnummer, ein absoluter Hit mit typisch finnischer Duracell-Melodieführung) und „From Afar“ (Epik trifft auf durchgetretenes Gaspedal), wobei auch „The Longest Journey“ positiv heraus sticht, mit fast 13 Minuten allerdings auch im XL-Format gehalten wurde. Dabei handelt es sich um die Fortsetzung von „Heathen Throne“, ebenfalls auf diesem Album vertreten, seinerseits stolze 11 Minuten in Anspruch nehmend. Lange Rede kurzer Sinn: Fans machen hier rein gar nichts falsch, denn bei diesen Songs füllen sie die Methörer wie von ganz allein. Wer allerdings in Zeiten der künstlich heraufbeschworenen Wirtschaftskrise 200 Euro für die Ultra-Mega-Edition von „From Afar“ inklusive Holzschild (!) auf der hohen Kante haben soll, welche in verschiedenen Mailordern feil geboten werden, wissen nur die nordischen Gottheiten.

 

Markus Rutten

 

Wer Ensiferum nicht mag, wird auch mit deren neustem Langeisen nicht glücklich. Die fünf Finnen scheinen sich seit ihrem Debüt-Album ständig selbst zu zitieren (wobei ich das Songwriting unter Gitarrengott Jari Mäenpää eine Spur packender fand). Etwas netter ausgedrückt: Ensiferum bleiben auch mit „From Afar“ ihrer schnurgeraden Linie treu und wagen sich erst gar nicht auf die wackligen Äste der Experimentierfreude, verweigern ihrem Sound jegliche wirklich bemerkenswerte Weiterentwicklung. Wer schon einmal irgendein Album von den Nordmannen  gehört hat, weiss bestens, was auf dem neusten Streich Programm ist: Ein Intro, BM-Growls in mittlerer Tonlage (oder sind es heisere Shouts?), schnelle MG-Riffs, Fanfaren-, Pauken- und Trompeten-Samples, ein paar Blasts, epische Arrangements mit Streichern, Frauen- und Männerchöre, catchy Leads, Thrashbeat, Interludes mit Flöten und anderen Akustik-Intstrumenten, „galoppierendes“ Power Metal-Doublebass und schliesslich ein Refrain, den man auch im angeheiterten Zustand noch problemlos mitgrölen kann („Twilight Tavern“). Nach einer so epischen Aufzählung (hehe) würde man jetzt vielleicht richtig abwechslungsreichen Sound erwarten. Das ist wie gehabt nur bedingt der Fall. Ensiferum kommt immer noch am besten als Hintergrundmusik, wie etwa zu einem Horn voll köstlichen Honigweins mit Freunden (Hat da jemand „Ambiente-Saufen“ geschrien?!). Apropos Epik: Die obligate Breitseite davon erhält „From Afar“ in Form eines Zweiteilers, der gesamthaft mit erstaunlichen 24 Minuten hinklotzt. Leider vermisse ich dabei etwas den roten Faden. Nicht gerade Moonsorrow, aber ganz nett. Ok, und um dem nordischen Quintett nicht unrecht zu tun, darf etwas nicht unerwähnt bleiben: Mitten im Lied „Stone Cold Metal“ gibt's nämlich eine kleine Überraschung. Zu der Akustikgitarre gesellt sich plötzlich ein Pfeifen, dass eher nach Western-Musik a là Ennio Morricone denn nach Ensiferum klingt. Als wäre das nicht schon genug „Aufregung“ für eine Ensi-Platte, geht das Ganze gleich über in einen Humppa-Part mit Piano! Als es wieder metallisch wird, erklingt immerhin noch ein Banjo, was man auch nicht gerade alle Tage hört.

 

Richard Hänzi