On Tour with Delain – A Rockband on the Road

Januar 2008. Aus den Niederlanden hat es zwei Kleinbusbesatzungen junger, aufstrebender Musiker und deren Helfer nach Deutschland verschlagen. In der Heimat bereits aus Rundfunk und Fernsehen bekannt, wollten DELAIN jetzt auch im Rest Europas Fuß fassen. Eine gute Gelegenheit ist da die erste eigene Headlinertour, welche die Band durch einige große Städte der Bundesrepublik führt. Für einen Teil der Strecke mit an Bord: Ein zweiköpfes Team von sounds2move, das Charlotte Wessels und ihren Jungs auf Schritt und Tritt begleitet. Lest und seht in der folgenden Reportage und den beiden dazugehörigen Videos (hier und da etwas dunkel, sorry dafür) wie der Alltag einer Band auf Tour aussehen kann und welche Anekdoten es sonst noch rund um die von sounds2move präsentierte "Lucidity"-Tour zu erzählen gibt.

Viel Spaß beim lesen,
Markus

 


Nicht nur auf der Bühne eine Einheit: DELAIN nach der Show in Berlin.
 


Video-Special zur DELAIN-Tourstory - Erster Teil: Backstage
 
Video-Special zur DELAIN-Tourstory - Erster Teil: On Stage

 

Freitag, 19.01.2008

Im Hamburger Logo bestreiten Delain ihr erstes Deutschlandkonzert als Headliner. Es ist der Auftakt der „Lucidity“ Tour 2008. Nachdem man im Herbst bereits mit Within Temptation, der ehemaligen Band von Keyboarder Martijn Westerholt, durch größere deutsche Halle kreuzen konnte, steht der erste komplett eigene Gehversuch an. Und Delain schlagen sich gut und können auch mit der Zuschauerresonanz zufrieden sein. Zwar ist Hamburgs traditionellste Adresse für Livemusik nicht ausverkauft, aber dennoch darf man von gehobenem Interesse sprechen. Als es nach dem Konzert noch auf ein paar Kaltgetränke auf Hamburgs sündige Meile geht, in deren etwas gemäßigterem Winkel sich an diesem Tag auch das Bandhotel befindet, freuen sich die Niederländer über eine sehr zufrieden stellende Feuertaufe. Der erste Schritt ist gemacht.

 


Klein, aber voller Leckereien - Der Backstageraum des Headliners
 


Samstag, 20.01.2008

Also gemütlich sieht anders aus. Es ist trist in der deutschen Hauptstadt zum Jahresauftakt. Berlin präsentiert sich spröde und zeigt seinen Gästen für eine Nacht die nass-kalte Schulter. Immer wieder ziehen Regenschauer durch das Grau in Grau der geschichtsträchtigen Stadt. Daher belassen es auch Delain nur bei einem kurzen Zwischenstopp am Schloss Charlottenburg, das vor allem Sängerin Charlotte Wessels angesichts offensichtlicher Namensverwandtschaft zu erfreuen weiß. Sightseeing macht unter solchen Voraussetzungen einfach keinen Spaß, das trifft auch für das sounds2move-Zweigespann zu, das bereits am Vorabend den Weg nach Berlin angetreten hat. Die langen Wege innerhalb der Metropole sind dann bei diesem Wetter doch zu abschreckend, ebenso wie die geradezu unverschämten Preisvorstellungen des Kaufhaus des Westens auf dem Kurfürstendamm.

 

Tour ohne Kult

Doch auch ohne ausladendes Kulturprogramm ist die Stimmung freundschaftlich und entspannt, als die Musiker, von denen vor allem Martijn und Charlotte schon sozusagen zu alten Bekannten des Hauses zählen, und ihre dreiköpfige Crew am späten Nachmittag ihre „Stalker“ vor dem Knaack Club aufsammeln. Direkt wird erst einmal mit einem noch immer gehegten blauäugigen Rock N Roll Klischee aufgeräumt. Denn auch wer eine (kleine) Crew hinter sich weiß, kommt noch lange nicht um körperliche Arbeit herum. Es gilt zwei Minivans zu entladen und das erfordert erst einmal 20 Minuten Mannes- (und Fraues-)kraft. Alle helfen mit, um Instrumente, Kabel, Verstärker, Merch und Co. aus den voll gestopften Gefährten zu laden. Während im Inneren des Knaack, einem verwinkelten Rockschuppen nebst eigener Kneipe, die Herren der Schöpfung mit dem Aufbau ihrer Technik beginnen (inklusive Monster-Bass von Tieftöner Rob), lädt Sängerin Charlotte zum sprichwörtlichen ersten Small-Talk ein. Small deswegen, weil die Umkleide für den Fünfer angesichts der Truppenstärke eher die Ausmaße eines Schuhkartons hat, vor allem nachdem die Musiker auch noch ihre Koffer mit Bühnenoutfits und Tagesbedarf in die Kammer verfrachtet haben. Für ein entspanntes Schwätzchen bei bunt gemischtem Junkfood und koffeinhaltigen Getränken ist aber allemal Platz und so referiert die Zwanzigjährige unter anderem über ihre mitgeführte Hausapotheke, die allerlei Wundermittelchen für beanspruchte und strapazierte Stimmbänder bereithält. Selbige kommen dann auch sogleich zum Einsatz, denn der vergangene Abend auf dem Kiez hat kleinere Spuren hinterlassen, da man sich auf der norddeutschen Vergnügungsmeile meist nur lautstark unterhalten kann. Während sich die Studentin im Interesse ihrer Gesangsleistung im Voraus für die folgenden, wortkargeren Stunden entschuldig, zieht sich auch Keyboarder Martijn Westerholt zurück. Der groß gewachsene Blondschopf plagt sich mit einer üblen Grippe herum und zieht es vor den Nachmittag schlafend im Hotel zu verbringen.

 

7 Saiten für ein Halleluja

Somit fehlt der Bandkopf auch beim anschließenden Soundcheck, wo Tourmanager Rik einspringt und das Instrument des Bandgründers betriebsbereit macht. Dass Delain und ihre Crew ein eingespieltes Team sind zeigt sich rasch, denn binnen einer knappen halben Stunde ist alles abgefrühstückt. Gitarrist Ronald Landa intoniert auf seiner roten Gitarre mit Metallica und Within Temptation zwei seiner Lieblingsbands, Charlotte Wessels lässt treffsicher ihre glockenklare Stimme erklingen und Drummer Sander übt sich mit wenig unterhaltener Miene im wohl unbeliebtesten Punkt der Tagesordnung seiner Berufsgenossenschaft. Richtig interessantes dann zum Ende der Aufwärmrunde: Nicht nur dass Bassist Rob sein Schmuckstück – einen 7-saitigen Bass – von vielen Augenpaaren bestaunt loswummern lässt. Mit „Stay Forever“ wird sogar ein gänzlich neues Stück präsentiert, welches auch beim abendlichen Konzert seinen Weg in die Setlist finden soll. Musikalisch schafft man dabei die Gratwanderung zwischen Heavyness, Eingängigkeit und Epik. Sollten die folgenden Kompositionen für das zweite Album der Truppe dieses Niveau halten können, steht uns vielleicht schon im kommenden Herbst der nächste Leckerbissen ins Haus. Nicht ohne Stolz erkundigt sich Axtmann Ronald direkt im Anschluss mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht nach einem Urteil seitens des s2m-Stoßtrupps. Was er sich wohl als Antwort erwartet hat?

 


Charlotte Wessels weiß wo der Frosch die Locken hat!
 

The Italian Job

Während im Anschluss die junge Supportband mit ihren Aufbauten an der Reihe ist, kann der Delain / s2m Tross bereits zum gemütlichen Teil des Abends übergehen. Wie sich herausstellt ist nämlich der winzige Backstageraum des Headliners nicht der einzige Aufenthaltsbereich, denn im Obergeschoss des alten Gebäude befindet sich zur Überraschung der meisten noch eine opulente „VIP-Lounge“ mit roten Polstersitzecken und nur vereinzelten Lichtquellen, was für ein düster-verruchtes Ambiente sorgt. Wenn da mal nicht das eine oder andere Deja Vu gen Vortag in Hamburg fällig ist... Während sich kleine Gespräche entwickelten, man sich miteinander vertraut machte (O-Ton von Tontechniker Maarten „Sie sind also die Leute vom Fernsehen?“) und die werte Charlotte überrascht feststellen muss, dass sie es nicht wie bis zu diesem Zeitpunkt vermutet mit hauptberuflichen Schreibern zu tun hat („Unser Hotel hat nur 2 Sterne, das ist euch sicher viel zu einfach und zu billig...“ – alles über einer Bushaltestelle ist Luxus, Red.) , entdeckt der erste unerschrockene Holländer die unverschlossene Tür zum Nebenzimmer. Oder sollte man lieber sagen Schankraum? Direkt gegenüber der Tür baut sich ein langer Tresen auf,  welcher unter anderem von geschätzten 100 sauber aufgereihten Flaschen Jack Daniels gekrönt wird. Sofort steht ein Stoßtrupp von 5 wackeren Gestalten zur Sichtung bereit, die sogleich Größenwahn und Niveaulimbo aufblitzen lassen. Am Ende siegen dann doch Kinderschule und Anstand und die Spirituosen bleiben an ihrem Platz. Deutlich niedriger ist die Hemmschwelle da schon als Tourmanager Rik sich auf einen Schlag mit dem Ausruf „Dinner-Time!“ viele Freunde macht. Während das Techniker-Duo zurückbleiben muss um den Merch-Stand aufzubauen, zieht es Künstler und Schreiber per Fußmarsch durch das ungemütliche Berlin auf der Suche nach dem vom Clubbesitzer empfohlenen Italiener. Unterwegs nutzt Sängerin Charlotte Wessels die Zeit, um von ihrem Heimatort Zwolle und ihrem Zweitwohnsitz im Studentenwohnheim zu berichten. Die Erkenntnis: Zu Hause ist es doch am schönsten, selbst wenn man im Studiheim zu Weihnachten wunderbar auf den Putz hauen kann. Beim zugegebenermaßen recht schmackhaften Pizza-Dealer angekommen, begrüßt uns erst einmal der etwa schmierige Kellner, der mit Bestimmtheit darauf aufmerksam macht, dass man nur in Ausnahmefällen samstags abends ohne Reservierung einen Tisch bekommen könne.


Die Kür nach der Pflicht: DELAIN zeigen sich gewohnt geduldig und fannah.
 

Eine solche Ausnahme schien dieser Tag zu sein, noch mal Glück gehabt. Während der unfassbar langen Wartezeit auf die kulinarischen Perlen der Miesmuschel von einem Kellner dominiert zumeist ein holländisches Kauderwelsch die Runde, das für das deutsche Ohr nur in Bruchstücken zu verstehen ist. Als die Gespräche dann zu allerlei lustigen Anekdoten aus den Tenacious D. Filmen schwanken, sind die sprachlichen Unterschiede auch schon wieder vom Tisch, denn den subtilen Humor von Jack Black versteht einfach jeder Freund der Gitarrenmusik. Gerade dann, wenn er in einer beängstigenden – ja geradezu auswendig gelernten – Sicherheit von Gitarrist Ronald wiedergegeben wird. Überhaupt bestätigt sich beim gemütlichen Beisammensein der vorherige Eindruck, nämlich dass Ronald so etwas wie der Entertainer der Truppe ist, der gern das Wort ergreift, Geschichten erzählt und stets für ein interessantes Gespräch zu haben ist. Bassist Rob und Schlagzeuger Sander halten sich hingegen ziemlich zurück und wahren sich stets eine freundliche Schüchternheit. Die Zurückhaltung des Nesthäkchens am Tisch, Charlotte Wessels, beruht da schon eher auf Gründen der Stimmschonung, selbst wenn sich die Rotblonde zwischenzeitlich doch munter drauflos plappernd in die Gespräche einschaltet. Aus dem zumindest bei Tourmanager Rik, Ronald und dem Autor äußerst beliebten Thema Fußball hielt sie sich allerdings, ebenso wie der Rest der Gesellschaft – großzügig heraus. Somit war es abermals an Mr. Landa, ausführlich Stellung zu den großen Zeiten seines Clubs Feyenoord Rotterdam zu beziehen und einige brisante Derbys in den Niederlanden aufzuzeigen. Nachdem die italienischen Spezialitäten anschließend restlos vernichtet sind, ist Eile geboten, denn die Abwesenheit unseres Grüppchens hatte sich wie bereits erwähnt unerwartet in die Länge gezogen. Zurück im Club haben die Anheizer ihre Show schon fast hinter sich gebracht. Eile ist also geboten!

 

Play, Meet and Greet

Und zwar in mehrfacher Hinsicht. Unmittelbar nach dem Abgang der ersten Band muss Rik auf die Bühne, um letzte Hand an die Instrumente seiner Schützlinge zu legen. Delain verziehen sich unterdessen in ihren Backstageraum: Umziehen, warm singen und einfach „bühnenfertig“ machen. Wobei noch ein anderer Umstand für reges Mobilfunktreiben und angespannte Gesichter sorgt, denn Band-Chef Martijn ist nicht wie erwartet in der Zwischenzeit im Club eingetroffen, sondern er bahnt sich bis kurz vor dem Auftritt noch seinen Weg durch den Berliner Großstadtwahnsinn. Just in time schneit der Bandkopf dann doch noch nicht einmal 10 Minuten vor der Show rein, sodass Delain mit nur knapper Verspätung auf die Bretter gehen können. Das Knaack hat sich unterdessen doch beachtlich gefüllt und ist wohl nur knapp an einem „Ausverkauft“ vorbeigeschrammt. Delain bieten ihren zahlreichen Anhängern immerhin knapp 70 Minuten engagierte Live-Power und stellen dabei auch als erste Zugabe das bisher unveröffentlichte und bereits erwähnte „Stay Forever“ vor. Mit nur einem Album auf der Habenseite bleiben abgesehen von besagtem Vorgeschmack auf das zweite Album weitere Überraschungen leider aus und sogar das schmissige „The Gathering“ wird gleich zwei Mal zum Besten gegeben. Dem Publikum scheint das hier und heute reichlich egal zu sein, denn es feiert mit dem Quintett auf absolut headlinerwürdigem Niveau eine ansehnliche Sause. Ronald und Rob posen was das Zeug hielt, Sängerin Charlotte stimmt regelmäßig in das moshen und bangen ihrer Kollegen ein uns präsentiert sich auch stimmlich in erstklassiger Verfassung. Den Mangel an Spielzeit machen Delain dann im inoffiziellen Teil des Abends wieder wett, nämlich bei der absoluten Fanoffenheit direkt im Anschluss an die Show am Merchstand. Fast die komplette Besucherschaft scheint dem Angebot der Band, die kurz vor Showende zum Plausch an den Verkaufsstand eingeladen hatte, folge leisten zu wollen, sodass es in dem relativ engen Gang für eine halbe bis Dreiviertelstunde ziemlich kuschelig wird, während Delain von Eintrittskarten über Bierdeckel, bis hin zu Postern und CDs alles signieren, was ihnen vorgelegt wird. Mit dem Angebot für ein gemeinsames Foto gern auch hinter den Tisch zu kommen, haben die Niederländer zum Ende ihrer Autogrammstunde dann endgültig auch die letzten Berliner Herzen erobert und viele Anhänger freudestrahlend auf die nass-kalten Straßen der Hauptstadt entlassen.

Im Anschluss der letzte Stressschub des Abends, denn es gilt Utensilien und Instrumente fertig abzubauen und in die beiden Kleinbusse zu räumen, da der Konzertsaal zu vorgerückter Stunde seine Pforten noch einmal als Indi-Disco öffnen soll. Mit dem hineinströmen der ersten Besucher ist dann alles wieder weitestgehend verstaut, sodass nur noch der winzige Dressingroom von Koffern und sonstigen Eigentümern befreit werden muss, bevor der knapp 40-minütige Rückweg ins eher zweckmäßige Hotel angetreten werden soll. Während der recht kurzen Wartezeit auf die beiden Fahrer, stellt vor allem Martijn noch einmal seine absolut vorzeigbaren Deutschkenntnisse zur Schau, als er – aber auch Spaßvogel Ronald – sich ganz nebenbei auch als äußerst bewandert in deutscher Politik präsentieren. Dabei gestaltete sich sogar die Wortwahl nicht wie bei manch anderen Musikern auf die Brocken „Saufen“, „Bier“, „ficken“ und „Was ist los?“ (oder im Fall von Illdisposed Schreihalss Bo Summer „erigierte Nippel“) beschränkt, sondern fördert klangvolle Worte wie „philosophieren“ ans Tageslicht. Keine Frage: Delain sind keine Band, die jene Klischee vom schnapsvernichtenden, unnahbaren Rockstar verkörpern, sondern ein junger, aufstrebender Haufen, den man vor allem Abseits der Bühne eher für die guten Bekannten von nebenan halten würde. Bleibt zu hoffen, dass sich die Fünf diese bodenständige Unbekümmertheit erhalten und dass man sich in nicht all zu ferner Zukunft erneut gemeinsam auf Reisen begeben kann. Dann allerdings mit Gummistiefeln im Reisegepäck – wer weiß auf was für Ideen Petrus beim nächsten Mal kommt.

Markus Rutten – www.sounds2move.de

Begeisterten ihre Fans mit einer erstklassigen Show - DELAIN.

Link: www.delain.nl