Vorab gehört: "The Human Contradiction" von Delain

 

Mit neuem Label und frischem Schwung starten Delain in die Zukunft. Nach dem Zwischenspiel mit "Interlude" kommt in etwa einem Monat mit "The Human Contradiction" auch ein vollwertiges neues Album über den neuen Partner Napalm Records auf den Markt. Mit Spannung wird das vierte Album der Niederländer um das Dreamteam Westerholt/Wessels erwartet, da lässt sich sounds2move natürlich nicht lange bitten, wenn das Angebot ins Haus flattert, sich vorab ein Bild von den neun neuen Songs zu machen.

 

Here come the Vultures:

 

Steigt Delains neue Platte etwa mit einem Gute-Nacht-Lied ein? Unaufgeregte Stimme, sanftes Spieluhr-Geklimper. Dann der Paukenschlag: Harter Einstieg, recht böse, grimmige Riffs und eine düstere Klangkulisse. Man versteht mit der Zeit dann doch durchaus wo der Songtitel herkommt, während immer mal wieder die Spieluhrmelodie vom Anfang auftaucht. Später summt Charlotte Wessels die Melodie anstatt sie einfach nur zu singen, kombiniert mit den dezent spooky Keys kommt dabei auch mal kurz eine unterschwellige Gruselstimmung auf.

 

 


Your Body is a Battleground:

 

Majestätisch, bedrohliche Keys duellieren sich mit schroffen Riffs, wieder erklingt der kehlige Chor, der schon beim Vorgänger kurz zu hören war. Charlotte Wessels gibt die Leadstimme bereits nach kurzer Zeit erst mal an einen alten Bekannten ab, nämlich Marco Hietala (Nightwish, Tarot). Dramatischer, dynamischer Song mit einem gesunden Maß an Bombast. Auch ein cooles Gitarrensolo darf nicht fehlen. Recht griffiger Refrain.

 

 

Stardust:

 

Der Übergang zu "Stardust" erfolgt dann fließend. Nach zwei recht dunklen Songs folgt jetzt der erste beschwingte Delain-Stampfer, der mit Tempo-Variationen und hoher Eingängigkeit punktet. Der erste offensichtliche Hit des Albums.

 


Den Songs Leben einhauchen: Charlotte Wessels bei den Gesangsaufnahmen zu "The Human Contradiction".

My Masquerade:

 

Netter Kontrast zum Auftakt: Während die Musik direkt unmittelbar davor zu stehen scheint, richtig los zu legen, wirkt der Gesang irgendwie beschwichtigend und wirbt scheinbar für Zurückhaltung. Zum ersten Chorus sind sich Stimme und Instrumente dann aber einig, während neben Charlotte Wessels eine Männerstimme immer wieder den Songtitel brummt. Recht simples Grundgerüst, die Akzente werden eher im Hintergrund gesetzt. Allemal eingängig, trotzdem nach dem ersten Hören das bis dato schwächste Stück auf dem Album.

 

 

Tell me, Mechanist:

 

Liebliche Keys und ebensolcher Gesang, aber bevor irgendjemand sentimental wird, ballern Schlagzeug und Gitarre erst mal los. Dann - nanu - gesellen sich plötzlich sogar Grunts an die Seite von Charlotte Wessels, die von Ex-Orphanage Shouter George Oosthoek beigesteuert wurden. Das Härtelevel bleibt auf angenehmem Niveau, zwischendurch darf es aber auch mal ein etwas rockigerer Einschub sein, was für Abwechslung sorgt. Klassischer Delain-Stoff also, der zwischen Symphonic Metal und Rock hin und her pendelt.

 


Das Artwork zum neuen Album (VÖ 04.04.)


Sing to me:

 

Die Leadstimme eröffnet "Sing to me", nur begleitet von einer minimalen Soundkulisse, während von irgendwoher ein Sopran den Hintergrund etwas auflockert. Stimmungsvoll, doch von einer Sekunde auf die andere explodiert der Song - Wall of Sound Galore! Der Bass pumpt, das Schlagzeug macht Dampf, das Keyboard steuert die passende Fanfare bei. Seinen finalen Kick bekommt das Stück aber wie so oft erst durch den überragenden Gesang, der aus dieser sehr bombastischen Nummer einen richtigen Hit macht. "Das hätten Nightwish kaum besser hinbekommen", denkt man so bei sich, da erklingt wie auf Kommando zum zweiten Mal auf dem Album die Stimme von Marco Hietala. Der übernimmt nicht nur eine Strophe, sondern darf auch mal den Chorus im Alleingang zum besten geben. Hörenswertes Duett, das zum Glück und aller Keyboardflächen zum Trotz nie Gefahr läuft, wirklich kitschig zu wirken. Da schlagen Fan-Herzen höher.

 

 

Army of Dolls:

 

Zum flotten Einstieg setzt es einen schmissigen Beat, der im Laufe des Songs noch ein paar Mal auftauchen wird, dazu reicht man poppige Keyboards. Danach wird schön stampfend gerockt, im Chorus wird es hymnisch. Auch dieser Song trägt unverkennbar die Delain-Handschrift. Der Text befasst sich - man ahnt es bereits - mit oberflächlichen Püppchen, die lieber gekünstelten It-Girls nacheifern, anstatt ihren Kopf zu benutzen und ein eigenständiger Charakter zu sein. So gesehen greift man hier gewissermaßen den Faden des Titelstücks vom Vorgänger "We are the Others" auf. Auch dieses Stück kann man bereits beim ersten Hördurchgang durchwinken - läuft.

 

 

Lullaby:

 

Von wegen Schlaflied: Bei "Lullaby" servieren uns die Niederländer mit simpler, schwerer Gitarrenarbeit versehenes Midtempo, das im Refrain mit einer süffigen Piano-Melodie von Martijn Westerholt alle Register zieht und dabei dezentes 80er Flair versprüht. Sehr ohrwurmig angelegt und damit für ein breites (Rock)Publikum ausgelegt. Auch ein Break, sowie eine Soloeinlage von Gitarrist Timo Somers sind mit an Bord, so gesehen bleiben keine Wünsche offen. Möglicherweise nicht das Kronjuwel von "The Human Contradiction", aber allemal ein hartnäckiger Ohrwurm, der hängen bleibt.

 


The Tragedy of the Commons:

 

Die Zeit vergeht wie im Flug, schon sind wir bei der letzten Nummer angelangt. Jetzt heißt es noch mal alle Register ziehen, nur logisch also, dass dem getragenen Mittempo-Stück auch mal ein kurzer Background-Chor gegönnt wird. Und weil es vorhin schon funktioniert hat, dürfen es zum Abschied auch noch mal ein paar kurze, kehlige Grunts sein. Und auch hier bleiben sich Delain treu und haben einen weiteren Gast ins Boot geholt, nämlich Melissa White-Gluz (The Agonist). "The Tragedy of the Commons" wird von einer anmutigen, majestätischen Atmosphäre geprägt. Bevor zum Schluss hin alle Regler langsam nach unten gezogen werden, wurden noch schnell mehrere unterschiedliche Gesangsspuren der bereits zu genüge gelobten Delain-Frontfrau übereinander gelegt. Schon klingt das vierte Delain Album aus, während der Finger wie von allein nach der "Repeat"-Taste sucht, denn das Gehörte macht Lust auf mehr. Für's erste muss das aber reichen, mehr zu "The Human Contradiction" (VÖ 04.04.) gibt es demnächst bei uns in Interview- und Review-Form.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de 

 


Hat gut lachen: Martijn Westholt im Studio.

 

Link: www.delain.nl

Fotos: (c) Delain