Bloodflowerz – Studio-Reportage „Dark Love Poems“ 2006

[weiter unten: Interview mit Produzent Alexander Krull sowie die "Dark Love Poems" aus der Sicht von Kirsten Zahn]

Die badische Landeshauptstadt Stuttgart gehört zu den Großstädten, die man als ortsfremder Besucher schnell fürchten lernen kann. Nicht etwa wegen einer Kriminalitätsrate, die sich in Frankfurter oder gar Berliner Dimensionen bewegt oder wegen der Müllberge, die auf den Streik im öffentlichen Dienst (inklusive Müllabfuhr) zurückzuführen sind und die viele Seitenstraßen mit einer wenig einladenden Duftwolke überziehen. Nein, wer einmal als Gast quer durch die Porschestadt fahren musste, der hat nach diesem „Abenteuer Auto“ einen gesunden Respekt vor dem Stuttgarter Verkehrstunnelprinzip. Da ist man erst einmal froh, dass die Aufnahmestädte, die sich die BLOODFLOWERZ für die Aufnahmen ihres dritten Albums „Dark Love Poems“ ausgesucht haben, etwas außerhalb im überschaubareren Fellbach beheimatet ist (wo übrigens auch die Müllabfuhr ihren Dienst nicht verweigert hat). Ganz einfach ist die Anreise dann aber doch nicht, denn das metallene Schild, das ein von außen unscheinbares Wohnhaus als Mastersound Studio outet, ist erst auf den zweiten Blick hinter ein paar grünen Ästen zu erspähen.

 


[Bloody Postcard]

Mit Schlips, Charme und Zauberlampe

Optisch präsentieren sich die süddeutschen mit ihrem neuen Album einmal mehr von einer anderen Seite. Wurde anno 2003 noch munter mit Wandfarbe und martialisch verschmiertem Lippenstift experimentiert, so setzt man für „Dark Love Poems“ zwar erneut auf ein optisches Gesamtkonzept, allerdings lehnt man sich dieser Tage eher an die „Bezaubernde Jeanny“ an. „Diese Sache wurde irgendwie überbewertet. Wir wollten unsere Bilder ursprünglich gar nicht derart bedeutungsschwer in Szene setzen“, ist Tim von der späteren Wirkung der alten Bilder auf Fans und Fachpresse überrascht, unterstreicht aber auch, dass die BLOODFLOWERZ keine Band sind, deren Äußeres einmalig definiert und dann für Jahre beibehalten wird wie etwa bei SLIPKNOT. „Wir hatten einfach die Platte und haben uns überlegt was dazu passt. Bei der Überschrift „7 Todsünden, 7 Tugenden“ war uns klar, dass es etwas „krasses“ sein muss und da hat es einfach gepasst“.

Auf das Experimentieren wollten die Gewächse dennoch nicht verzichten. Und so wurde aus der abenteuerlichen Idee ihrer Vokalistin ein handfestes optisches Konzept für das Cover und das Booklet von „Dark Love Poems“. „Ich hab’ mit unserem Artworker zusammen gesessen und ihm nebenbei erzählt, dass ich die ‚Bezaubernde Jeanny’ toll finde. Und dann hab ich aus Spaß zu ihm gesagt er solle so etwas für das neue Cover machen“, berichte Frau Zahn. Nach kurzen Protesten des Grafikkünstlers entdeckte man doch ein ansprechendes Konzept und eine stimmige Visualisierung für das Thema des neuen Albums und so entstand nach und nach aus einer Bierlaune heraus eine kompakte, stimmige Coveridee. „Außerdem kommen meine Jungs so endlich mal zu eine paar schönen Krawatten“, lacht die schwarzhaarige Sängerin.

 

Wenn Gewissheit und Ungewissheit Hand in Hand gehen

Apropos Konzepte und Ideen: Die Idee zum Thema von „Dark Love Poems“ haben sich die BLOODFLOWERZ nicht mal eben aus den Fingern gesogen. „Der Titel stand im Prinzip schon direkt nach der letzten Platte. Wir hatten die ‚7/7’ gerade fertig, da wusste Kirsten schon ‚Die nächste Scheibe heißt ‚Dark Love Poems’ “, zeigt sich Schlagzeuger Tim Schwarz amüsiert von soviel Entschlossenheit seiner Frontfrau. „Ich mache mir bei uns schon immer die Gedanken über Konzeptsachen und diese Dinge. Und diese ‚Dark Love Poems’, auf denen meine Texte beruhen, hatten auch alle irgendwo eine gemeinsame Überschrift. Und spätestens nachdem Markus und Jojo uns verlassen hatten, wussten Tim und ich genau, wo wir hin wollten und wir hatten auch ein grobes Bild davon wie die Platte ausschauen sollte, noch bevor die Songs geschrieben waren“, geht die eben Zitierte sofort in Detail und fügt entschlossen an, dass die Band heute genau da steht, wo sie ihrer Meinung nach stehen soll.

Trotz des Abganges von Gitarrist und Tieftöner, der auch musikalische Gründe hatte, waren sich die beiden verbliebenen Mitglieder zweifellos darüber im Klaren, dass es weitere Veröffentlichungen unter dem Banner BLOODFLOWERZ geben wird. Wann und mit welcher Besetzung spielte da nur eine untergeordnete Rolle. „Die Songs entstanden, bis auf 2-3 Ausnahmen, die in abgeänderter Form auf dem neuen Album zu hören sind, nach der Trennung und spiegeln somit schon die neuen Bloodflowerz wieder“, erklärt Kirsten. Trotz der Ungewissheit wie und wenn ja wann es mit der Band weitergeht, legten der Schlagzeuger und die Sängerin das Songwriting nicht auf Eis, sondern schrieben weiterhin neue Songs. Zwangsläufig stellt man sich in einer solchen Situation dennoch die Frage, wie es weiter gehen wird. „Man sucht da natürlich auch ein Stück weit nach seiner eigenen Identität. Aber uns war beiden klar, dass wir auf jeden Fall zusammen weiter machen wollen, auch wenn es unter Umständen etwas dauert bis wir jemanden finden, der passt“, schildert die Süddeutsche die damalige Situation.

 


[ Bloodflowerz @ Mastersound Studio 2006: (v.l.): Jan Beckmann (Bass), Tim Schwarz (Drums), Jochen Laser (Gitarre), Kirsten Zahn (Vocals) ]


[Bloodflowerz 2006]

Alle zusammen, jeder für sich

Die Wahl des Studios hatte für die Gruppe zwei wichtige Aspekte. Zum einen war die Nähe zur Heimat ausschlaggebend und zum anderen natürlich die Qualitäten, Vorzüge und Referenzen eines nicht ganz unbekannten Produzenten namens Alexander Krull, der u.a. schon Alben und Tracks für SINISTER, END OF GREEN, CRADLE OF FILTH, ELIS, THEATRE OF TRAGEDY, UMBRA ET IMAGO und natürlich seine eigenen Bands ATROCITY und LEAVES’ EYES in die richtigen Bahnen gelenkt hat. Wobei man mit Siggi Bemm, dem Produzenten von „7 Benedictions / 7 Melediction“ und seinem Hagener Woodhouse Studio durchaus zufrieden war und die Zusammenarbeit zum damaligen Zeitpunkt auch positiv verlief. „Es war uns wichtig mit der jetzigen Platte etwas anderes zu machen. Die Gespräche mit Alex waren sehr gut und wir hatten sofort das Gefühl, dass wir hier alles umsetzen können, was wir uns vorstellen“, so Kirsten zum technischen und musikalischen Aspekt der Studiowahl. „Du hast recht, die Nähe zu unserer Heimat war uns auch sehr wichtig bei der Wahl“, bestätigt Schlagzeuger Tim die Vermutung, dass die Band ihr normales Leben während den Aufnahmen keineswegs auf Eis legen konnte. „Zumal es kein Geheimnis ist, dass wir alle noch regulären Jobs nachgehen müssen und zum jetzigen Zeitpunkt auf keinen Fall nur von den BLOODFLOWERZ leben können. Das war jedoch kein Problem, denn wir mussten keinen Kompromiss eingehen, sondern haben die Ideallösung gefunden“.

Auch hinsichtlich des Zeitplans konnten es die blutigen Gewächse dieses Mal etwas entspannter angehen. So checkte dieses Mal nicht die komplette Band zur gleichen Zeit im Studio ein, wie noch zu „7/7“ Zeiten, sondern jeder richtete sich individuell seine Studiozeit ein, was dazu führte, dass zwar große Teile des Materials im Alleingang aufgezeichnet wurden, man allerdings auch genügend Zeit und Ruhe hatte um seine Parts genau nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. Besonders Sängerin Kirsten, deren Gesangslinien auf „Dark Love Poems“ noch deutlicher vor Emotion und Gefühl überzusprudeln als es in der Vergangenheit schon der Fall war, benötigt eine gewisse intime Atmosphäre um optimale Ergebnisse erzielen zu können. „Ich will beim Singen niemanden dabei haben und muss einfach allein sein und mein Ding machen können“, beschreibt die Frontfrau ihre bevorzugte Arbeitsweise. Angst vor völlig abweichenden Gesamtergebnissen brauchte man indes nicht zu haben, denn die Band hatte sich schon vor dem Weg ins Studio so gut wie möglich vorbereitet und konnte mit einer fertigen Vorproduktion aufwarten. „Das Arbeiten war sehr angenehm. Durch die Vorproduktion konnten wir uns selbst reflektieren und hatten vom Anfang der Aufnahmen an vollstes Vertrauen ineinander. Und auch wenn sich beim einen oder anderen ein paar Kleinigkeiten geändert haben, so wussten doch alle zu jeder Zeit was am Ende dabei rauskommen würde“, weiß man die Vorzüge der ausgiebigen Vorbereitung zu schätzen.

 

Von Teufelsweibern, Schubladen und ganz großen Emotionen

Letztendlich verbrachte die Band knapp 6 Wochen im Mastersound Studio um zwölf Stücke für „Dark Love Poems“ einzuspielen – darunter der Bonustrack „Cruel Game“, zu dem Bassist Jan Beckmann ein paar Backing Vocals beisteuern durfte. Dabei dreht sich – wie könnte es anders sein – alles um die Liebe mit all ihren Facetten. Und auch die BLOODFLOWERZ haben ihren ohnehin schon jeglicher Kategorisierung wiedersprechenden Sound noch einmal um ein paar Facetten erweitert. Dazu haben auch die beiden SCHANDMAUL-Mädels Anna und Birgit einen Teil beigetragen, die mit Schalmei, Geige und Flöte nach Fellbach gekommen waren. Deren live eingespielte Instrumente verleihen den Stücken „Anthem for a Stranger“ und „The Fool and the King“ eine ungemeine Wärme, die auch in Sachen Tiefgang die Klänge aus der Konserve um Längen schlagen. Aus der spontanen Idee, die Sounds „richtig“ einspielen zu lassen, anstatt mit Samples zu arbeiten, wurden dann schnell konkrete Pläne und ein paar kurze Anrufe später hatte man die beiden Vollblutmusikerinnen auch schon für die Sache begeistert und konnte sich derer Unterstützung sicher sein. Für die Zukunft bleiben weitere Kooperationen mit befreundeten Musikern nicht ausgeschlossen, im Gegenteil. Es existieren sogar schon konkrete Ideen, aber dennoch hält man sich zum jetzigen Zeitpunkt verständlicherweise noch bedeckt. Dabei kämen aber sowohl auf der instrumentellen, als auch auf der gesanglichen Ebene Gastspiele in Frage.

Bei ihren Texten greift die Sängerin bevorzugt auf eigene Erfahrungen zurück. Somit sind die geschriebenen Worte von „Dark Love Poems“ durchaus autobiografisch, allerdings mit gewissen Einschränkungen. „Es gibt immer mal wieder Momente, wo man die Sachen ein bisschen zurecht stutzen, kaschieren oder erweitern muss, damit eine runde Geschichte dabei herauskommt. Im Großen und Ganzen ist die Scheibe aber doch sehr autobiografisch, auch von der Emotionalität her. Die vielen Aspekte der Liebe, die auf der Platte zum Tragen kommen, sind auch vom Sound und der Musik her sehr emotional gehalten und es war uns immens wichtig, dass dies auch rüber kommt“, beschreibt Kirsten die gefühlsmäßige Ausrichtung des Albums. Von einem vollwertigen Konzeptalbum spricht die Band trotzdem nicht. „Das Wort ‚Konzept’ klingt für mich da fast schon ein bisschen zu durchdacht. Es gibt eher dieses Thema, welches die Platte sowohl musikalisch als auch emotional und natürlich textlich bestimmt und das über allem thront. Wir wollten uns keine Fesseln in Form eines festen Konzeptes anlegen, sondern den großen Spielraum nutzen, den dieses Thema bietet“, wird der Denkansatz der Band weiter konkretisiert. Dabei stand die „emotionale Ehrlichkeit“ (O-Ton Kirsten) an erster Stelle, was in dem düsteren, bedrückenden Stück „Dead Love (a Necrology)“ gipfelt, einem Titel, der wie dafür gemacht ist, diese Platte abzuschließen, auch wenn zum Zeitpunkt unseres Besuches noch keine konkrete Reihenfolge der Titel feststand.

 


[Fotosession @ Mastersound Studio 2006]

Diese angesprochene ehrliche Emotion, die sowohl den Gesang als auch die instrumentale Umsetzung prägt, verbunden mit knackigen Refrains und ausgeklügelten Melodien sind es, die „Dark Love Poems“ zum reifsten und durchdachtesten Album machen, das die BLOODFLOWERZ bis dato abgeliefert haben. Verbunden mit der vertraut wirkenden und zugleich auf eine gewisse, positive Art befremdlichen Intimität des Gesamtwerkes könnte Kirsten, Tim, Jan und Jogi mit ihrem ersten Album in dieser Besetzung sogleich einer der Überraschungserfolge des Jahres blühen. Die Band hat ihr möglichstes getan und hält sich mit allzu abenteuerlichen Erwartungen und Prognosen zurück. Jetzt ist es an Fans und Fachpresse zu entscheiden, in welche Richtung es für die Schwaben geht. Erste Einblicke in die Konzerttauglichkeit des neuen Materials wird das Quartett der Öffentlichkeit schon bei den nächsten Festivalauftritten gewähren (u.a. Wave-Gotik-Treffen). Wer dabei sein kann sollte Augen und Ohren offen halten. Vielleicht ist es einer der Aufsteiger des Jahres, der da gerade um seine Gunst spielt.

Markus Rutten - www.sounds2move.de


[ Kisten Zahn 2006 ]

[Dark Love Snacks]

 

Interview mit Produzent Alexander Krull zum Album „Dark Love Poems“  

Im Rahmen des Prelistening zum neuen BLOODFLOWERZ Longplayer "Dark Love Poems" (VÖ 23.06.2006) erwies Produzent und Mastersound Studio-Besitzer Alexander Krull sounds2move die Ehre um mit uns über das von ihm produzierte Album zu sprechen, einen Einblick in seine Arbeitsweise zu gewähren und über die Zukunft der Band zu spekulieren.

 

Markus: Der Arbeitsprozess der Band war schon recht weit fortgeschritten als sie zu dir kam. In wie weit wurde hier im Studio noch am Songwriting gearbeitet?

Alexander: Na ja, die Bloodflowerz sind kein Projekt sondern eine Rockband. Sie sind keine Band, die ihre Songs im Studio fertig schreibt. Wir sind hier an die Details ran gegangen was die Vocal-Lines betrifft oder ich hab gesagt, was sich meiner Meinung nach an der einen oder anderen Stelle gut anhören würde. Hier noch eine Gitarre dazu packen, oder dieses und jenes Solo könnte man auch so und so spielen, vielleicht ein paar Beats hinzufügen oder etwas in der Art. Einfach ein paar Sachen, die ein Außenstehender oder in dem Fall der Produzent dazu tut. Man hört sich die bisherigen Sachen gemeinsam an und ich sag dann was man vielleicht noch besser machen könnte. Wir haben uns dann ein paar Mal getroffen und im Prinzip ständig an den Songs gearbeitet. Und als dann die eigentliche Studiozeit angefangen hat, wussten wir schon sehr genau wie das Ganze ausschauen soll.

Also habt ihr im Endeffekt nur noch kleinere Veränderungen an den bereits bestehenden Songs vorgenommen und nicht mehr im großen Stil komponiert und arrangiert.

Ja und es war mir auch wichtig, dass das Emotionale, das Kirsten einfach in ihren Texten und in ihrem Gesang hat, auch rüber kommt. Das am Ende natürlich die ganze Band geil klingen muss ist logisch. Das Schlagzeug muss Groove haben, der Bass muss drücken, die Gitarre muss auf gut deutsch sägen. Ich glaube jetzt hab’ ich alle Floskeln ausgepackt, die es gibt *lacht*. Ich glaube, ausschlaggebend für die Band hier her zu kommen, war zum einen natürlich, dass ich mich ein bisschen mit um die Produktion und das Songwriting kümmere, aber vor allem, dass die Platte genau den richtigen Sound bekommt, der das rüberbringt, was die Band auch live ausmacht. Ich habe die Bloodflowerz zuvor natürlich auch live gesehen und es gab die einhellige Meinung, dass die Live-Power auf Platte bisher nicht so rüber kam und das wollten sie auf dem neuen Album anders haben.

Die Vocals hast du mit Kirsten zusammen im Alleingang aufgenommen, ohne dass einer von den Jungs dabei war. In wie weit ist das auch ein Vertrauensbeweis dir gegenüber als einzige Kontrollinstanz?

Ich muss sagen das hat wirklich sehr gut funktioniert und wir haben uns gut ergänzt. Auch menschlich hat es bei uns sofort gepasst. Wobei ich es auch gewohnt bin mit Damen zu arbeiten, weil ich schon mit vielen aufgenommen habe und daher auch weiß, wie man an die Sache heran gehen muss. Aber Kirsten macht das allgemein alles sehr professionell und es gab keinerlei Probleme, auch mit den anderen nicht. Ich weiß nicht was die Band erzählt, aber ich glaube es ist alles sehr gut gelaufen *lacht*.

 


["Dark Love Poems" Produzent Alexander Krull]

Das klingt soweit alles nach sehr geregeltem Arbeiten. Musstet ihr denn auch stellenweise mal verstärkt Improvisieren – vielleicht weil du an manchen Stellen gesagt hast „Das können wir so nicht lassen“?

Ja klar. Es gab einige Sachen, die wir dann spontan aus dem Bauch gemacht haben. Wir hatten uns wie gesagt gut vorbereitet und wussten genau was wir wollen, aber während den Aufnahmen fallen einem dann noch hier und da Sachen ein und die haben wir dann größtenteils auch umgesetzt. Das sind Prozesse, die bei mir üblich sind, wenn ich mich mit einer Band einlasse. Ich hätte keine Lust einfach stur irgendetwas aufzunehmen und da nur meinen Job durchzuziehen. Ich versuche immer mich in die jeweilige Band hinein zu versetzen und dann das Beste rauszuholen.

Wer sich dich als Produzent aussucht kann sich also auf einen interaktiven Typ einstellen?

Ja und ich bin dann auch sehr direkt was Kritik angeht. Ich sage meine Meinung, wenn mir was nicht gefällt und dann diskutieren wir das aus oder arbeiten an der Sache.

 

Die „Dark Love Poems“ ist jetzt komplett im Kasten und dein Job ist soweit erledigt. Könntest du in Prozent angeben wie groß dein Anteil am Gesamtergebnis ist?

Oh Gott *lacht* . Nein, ich glaube das könnte ich nicht und das will ich glaube ich auch gar nicht. So denke ich auch nicht. Für mich ist in erster Linie wichtig ob eine Band sich bei uns wohl fühlt und sie am Ende mit dem Ergebnis zufrieden ist und sie das bekommen hat, was sie erwartet hat. Wenn ich dann auch noch zu 100% zufrieden bin ist alles in Ordnung. Das ist allerdings nicht so einfach, weil man eigentlich nie hundertprozentig zufrieden ist. Man kann sich dem eigentlich nur so weit wie möglich annähern und ich bin auch der Meinung, dass man immer noch irgendwas besser machen kann. Aber ein Album wie dieses jetzt von den Bloodflowerz sollte immer auch einen gewissen Charme und etwas Einmaliges haben. Es muss nicht immer alles perfekt sein um dieses gewisse Etwas zu versprühen. Und das finde ich auch so klasse an diesem Album, dass es nicht so glatt gebügelt ist. Bei den Bloodflowerz ist es wichtig, dass dieses Maß an Authentizität erhalten bleibt. Ich glaube, wir haben den richtigen Mittelweg gefunden um diese gewisse Wärme zu erhalten.

Durch die Aufnahmen und die Zeit, die ihr zusammen verbracht habt kannst du die Band jetzt ziemlich gut einschätzen. Was traust du der Band in nächster Zeit zu, sowohl mit dem Album, also auch als Band an sich mit der neuen Besetzung?

Im Musikbusiness ist prinzipiell immer alles möglich. Aber rein vom Potential her schätze ich die Band so ein dass sie mit Sicherheit sehr vielen Leuten gefallen könnte, wenn man ihr eine Chance gibt sich vorzustellen. Sie haben bisher ihren Weg gemacht, auch trotz des Besetzungswechsels gab es keinen Knick. Ich glaube mit der Truppe, die sie jetzt beisammen haben, passt alles sehr gut und man könnte einiges erreichen. Ich weiß natürlich nicht wie die genaue Zielsetzung aussieht: Ob man jetzt eine richtige Karriere starten will oder ob man es der Passion zur Musik wegen macht. Ich glaube eine Kombination aus beidem wäre ideal. 

 


[Cover "Dark Love Poems"]

 

Mit eigenen Worten: Die "Dark Love Poems" aus den Augen von Sängerin Kirsten Zahn

Mal nachrechnen… da sind nun tatsächlich fast auf den Tag genau 3 Jahre ins Land gezogen seit wir das letzte Mal voller Glück und Erleichterung in die Welt schreien konnten… „Fertig! Mission erfüllt.“ Sicher, Frau wird älter, ruhiger und besonnener (räusper…), na ja, kurz gesagt - in drei Jahren verändert sich einiges! Und dennoch fühlt sich dieser scheinbar endlose Moment, der das Ende einer langen Schaffensperiode markiert, kein bisschen weniger spannend und aufregend an als jedes Mal zuvor.  Zu einem gewissen Grad frisst die alltägliche Wirklichkeit des Seins und Scheins dann doch an schillernden Visionen, aber ernsthaft kann der herzblutenden Kraft wahrer musikalischer und emotionaler Leidenschaft nichts und niemand etwas anhaben. Würde ich mich von den Gespenstern, die hinter der Kunst, und vor allem hinter deren überlebensnotwendigem und heiß ersehntem Schritt in die Öffentlichkeit, lauern schrecken lassen, wäre der Blutblumen Grab wohl schon geschaufelt… Aber die Kraft und Vision, die in dem liebevoll angelegten Blutblumengarten wächst und gedeiht, will keinen Regen und Sturm fürchten – zu sehr freuen wir uns darauf die kleinen Sprösslinge ans Licht zu tragen – wie einen Schatz, den wir mit Euch teilen, den wir Euch schenken.

Ein paar Miniausgaben der fiesen Gespenster spuken um unsere Köpfe und so warten wir, die vier alten und neuen Bloodflowerz, um einigen ausgewählten VertreterInnen der Presse das neueste Werk „Dark Love Poems“ zu Gehör zu bringen - aufgeregt wie Teenager vorm ersten Kuss… Zumindest geht es mir so. Die Kollegen Tim, Jan und Jogi geben sich betont gelassen, schauen zuweilen etwas ratlos, während ich hin- und herwedle und bis zuletzt noch mit Alex die Reihenfolge der Songs festlege. Und draußen höre ich schon das leise Raunen vieler Stimmen. Unsere allerliebste Promodiva Iris hat uns ganz fest versichert, dass alle geladenen Gäste ganz furchtbar liebe und interessierte Schreiberlinge sind – und wie ich mittlerweile bestätigen kann, trifft das auch unbestritten zu… doch nach 3 Jahren sind die Nerven doch etwas aus der Übung geraten. Dennoch fühlt sich der erste Sprung ins kalte Wasser wunderbar erfrischend und gelassen an… Allzu viel Zeit bleibt uns leider nicht; all die kleinen Köstlichkeiten auf unserem handgemachten Retro-Buffet (an dieser Stelle sei unseren lieben Helferlein herzlichst gedankt!) - Törtchen, Muffins, Salate, Käseigel, Zitronenschnitten und vieles Leckeres mehr - die köstliche Bowle und die orientalisch-poppige Deko sind natürlich nur schmückendes Beiwerk an diesem Nachmittag. Alle, inklusive der Band, warten gespannt darauf endlich die neuen Songs in voller Pracht zu hören… Iris drückt noch jedem einen „Songführer“ mit Texten und Anmerkungen in die Hand und geleitet die gespannte Schreiberzunft galant auf ihre Plätze, bis der eigentlich recht großzügige Raum schier aus den Nähten zu platzen droht. Nach kurzer Begrüßung durch den Chef an den Reglern Master Krull und meine Wenigkeit legt sich Stille über den Raum  – jäh zerrissen durch die wuchtigen Klänge, die von einem Moment auf den anderen gnadenlos aus den Boxen schallen…

 

An dieser Stelle sollte nun die kurz-bündige Rubrik „in own words“ folgen… Manchen mag ein gewisser Lobgesang auf die eigenen Songs oder auch eine schönschreckliche Reflektion des Entstehungsprozesses selbiger leicht fallen – ich möchte sagen, dass ich dies eher verzwickt finde. Spuken doch so unendlich viele Bilder und urpersönliche Gedanken und Gefühle zum Entstehen und den Inhalten der Songs in meinem Kopf herum. Also nehme ich euch an der Hand und führe euch ein wenig durch die Tiefen der Dark Love Poems…

Besonders wichtig für die Entstehung dieser Platte war definitiv die neue Musikersituation. Nachdem wir uns Anfang des vergangenen Jahres von Markus, Jojo und Siggi getrennt hatten stand der weitere Verlauf ziemlich in den Sternen. Es gab nie die Frage, ob die Bloodflowerz weiter bestehen würden, nur eben die Frage wie das genau aussehen würde. Mit der alten Besetzung waren schon 3 bis 4 Songs in Rohform entstanden. Und ich hatte eine sehr genaue Vision wie der Sound des dritten Albums klingen sollte. Der Titel der Platte stand schon nachdem wir die Aufnahmen zu „7 Benedictions / 7 Maledictions“ beendet hatten; ich begann Gedichte zu diesem Thema zu schreiben, wofür mir meine private Gegenwart und Vergangenheit ausreichend Stoff lieferte. Dann vergrub ich mich in meiner kleinen Höhlenwohnung hinter Keyboard und Computer und schrieb intensiv Songs - träumte, programmierte, visionierte, spielte und nach und nach fand jedes einzigartige Erleben der Liebe in einem speziellen Song ein musikalisches Gesicht. Der Prozess war sehr fließend und harmonisch. Besonders wichtig war mir dabei die tiefe Atmosphäre, die aus Rhythmus, Harmonien und Melodien, eine mitreißende Geschichte erzählt; Und das Experimentieren mit „außergewöhnlichen“ Instrumenten konnte die Emotion in dem einen oder anderen Song noch fantastisch ausmalen und unterstreichen. Deshalb war es auch toll, dass Anna und Birgit, Musikerinnen von Schandmaul, die endgültigen Versionen mit ihren Instrumenten einspielten.

Als wir dann im Sommer unseren Bassisten Jan und Gitarristen Jogi fanden, war relativ schnell klar, dass sie perfekt zu den Blutblumen passen und den Songs mit ihrer besonderen Art zu spielen noch eine schöne eigene Note geben konnten. Wir nutzten die Zeit, die uns bis zum Studiotermin im Januar blieb, um uns zu „finden“, die Songs gemeinsam auszuarbeiten und zu üben, und uns intensiv auf’s Studio vorzubereiten. Was wir auch unter anderem mit einer eigenen Proberaum/Homestudio-Vorproduktion taten. Wir sind alle super glücklich mit den dunklen Poemen; auch die Wahl des Mastersound-Studios mit Alex und seinem „Team“ hat sich als Glücksgriff herausgestellt. Aber hört selbst…

 


[ Kirsten Zahn im Mastersound Studio 2006 ]

+++ Wir beginnen mit „Sajidas’ Song“ – sicher dem punkigsten Song auf dem Album – gerade deshalb vielleicht ein perfekter Einstieg in die dunkle Welt der blutblumigen Liebeslieder. Ein Lied über die Unfassbarkeit der Liebe, über unerfahrenen Übermut, mit welchem  wir durch die Welt stürmen – stets eine Frage auf den Lippen… Was ist Liebe? Wir suchen nach Antworten, sehen wie scheinheilige Definitionen über den Haufen geworfen werden, bis wir irgendwann selbst bemerken, dass Liebe und Schmerzen untrennbar sind… Können wir erst so das Wesen wahrer Liebe begreifen?

+++ Als zweiter Song folgt „Damaged Promises“, einer der Favoriten bei der Frage nach dem „Hit“ – schwermütig und dennoch leicht und schwebend. Anfang Mai werden wir zu diesem Song auch ein Video drehen, das auf jeden Fall auf der limitierten Auflage zu haben sein wird. Der Song erzählt über die Grausamkeit der Stille in einer Beziehung, die jäh zerreißt, wenn Befürchtungen auf Einsichten treffen. Versprechen, einst in Liebe geschlossen, zerbrechen an einsamem Schweigen. Heimlich und leise wird so Liebe zu Hass, Zuneigung zu Abscheu. Schicksal? Kann allein Schmerz uns zeigen, dass wir uns verirrt haben? Vielleicht sind Liebe und Hass im Kern ein und dasselbe; Vielleicht… Sicher ist allein, dass in unseren Tränen die Kraft steckt wieder aufzustehen…

+++ „The Last Dance“ ist unbestritten die Tanznummer, bei der kein Bein ruhig bleiben kann… ein treibender Offbeat trifft auf fordernde Melodien. Eine etwas wehmütige Reflektion vergangener Unachtsamkeiten; Was in versäumten Gesprächen verschwiegen wurde findet irgendwann Worte. Ein letzter gemeinsamer Tanz… ein Abschied.

+++ Nummer vier - „Healing Hearts“ – ist für mich einer der harmonischsten Songs. Er drückt die Erleichterung und innere Harmonie aus, die man verspürt, wenn man verzeihen kann. Verzeihen schenkt Freiheit. Verzeihen ist Heilung. Verzeihen befreit die Seele von erdrückenden Bürden der Vergangenheit. Ein Ende ist ein neuer Anfang.

+++ Mit „Illusionary Fields“ führt die Reise in dunkle Gefilde, traurige einsame Melodien verlieren sich im stumpfen Rhythmus schleppender Gitarren bis sie wieder scheinbar fröhlich flötend die Sonne beschwören - eine Illusion? Ein Sinnbild für den Weg durch verschlungene Irrwege. Ist Glück eine Illusion oder Realität, ist ein Traum Fluch oder Segen, wäre die kalte öde Realität ohne Illusionen zu ertragen? Manchmal flüchten wir und fliegen auf den Schwingen eines schönen Zaubers – eine Lüge ist doch oft um so vieles Schöner als die Wahrheit…

+++ Der nächste Song beginnt mit der hypnotisierenden Melodie einer Schalmei. Wir folgen ihr gleich einem hellen Stern und verschwinden doch in der Menge, marschieren auf der Suche nach dem Fremden, das uns doch so nah ist….  Anthem for a Stranger“ - Wie könnte der Eine mich bemerken, bin ich doch nur ein Gesicht von vielen…? Liebe erhebt den einen zum Gott, macht den anderen zum Gläubigen…

+++  Violent Voices“ – hart, gewaltig, maßlos…Niemals befriedigt, niemals satt schleppt sich der einsame Krieger von einer Schlacht zur nächsten. Immer auf der Flucht, auf der Suche nach einem Paradies gelangt er tiefer in seine eigene Hölle. Sein Herz stirbt jede Nacht erneut einen qualvollen Tod, doch er wird wieder und wieder fort ziehen…

+++ Eine Geige spielt auf zum Tanze… Sie soll freudig klingen, doch sie trauert… „The Fool and the King“ ist ein Lied über närrische Liebe. Wie lange tanzt der Gehörnte, wie lange begnügt er sich mit flüchtigen Oberflächlichkeiten? Das Lächeln wird zur Maske, hinter der die Seele langsam zerbricht. Manchmal sind wir zu stolz unseren Kummer zu zeigen.. und wir lächeln weiter…

+++ Die Ballade für’s Herz - „Dark Angel“ ist der Song, bei dem sich am deutlichsten die Wandlung ins Positive und Hoffnungsvolle vollzieht. Wunderschön, vollkommen  - sehnsuchtsvoll, glücklich, das Erkennen, dass in der Dunkelheit das hellste Licht brennt. Träumerisch, zuerst fast ungläubig, dann immer stärker, den Blick in den Sternen, entdeckt das liebende Herz vollkommenes Glück, wahre Liebe. Die Suche ist zu Ende…

+++ „Queen of the Freakshow“ - Der Rhythmus wandert durch den Song wie die einsamen Fragen, die Einsicht und Unwille gleichermaßen sind. Wie kann ich begreifen, was mein Verstand schon weiß, doch mein Herz nicht wahr haben will? Sterbende Hoffnung thront gleich einer wahnsinnigen Königin auf einem Luftschloss aus Ruinen. Versuche nicht zu halten, was du nicht halten kannst - lass es gehen. Vielleicht kommt die Liebe eines Tages zu dir zurück…

+++  Cruel Game“ erzählt über die grausame Seite einer Liebe, die nur noch ein herzloses Skelett aus Erinnerungen, Wunschdenken und Gewohnheiten ist und versucht all die damit verbundene unterdrückte Aggression und Verzweiflung auszudrücken, die wir empfinden, wenn wir begreifen, dass wir zu schwach sind uns zu lösen; dass wir uns selbst belügen. Kann der Wunsch nach Liebe, danach geliebt zu werden, so stark sein, dass wir bereit sind alles zu ertragen?

+++ Im letzte Song „Dead Love (a Necrology)“ winden sich Schmerzen, Wut und Hilflosigkeit um Ratlosigkeit und unendliche Melancholie. Die Melodien zeichnen ein Bild - wir stehen am Grab, fragen was geschehen ist, spüren völlige Leere. Tränen voller Enttäuschung. War es Krankheit, Mord oder ein langsames Ersticken? In jedem Fall ein bitteres Ende… 

So düster, verzweifelt, wütend oder todtraurig die Songs mit den verschiedenen Aspekten der Liebe auch abzurechnen scheinen, so viel Licht, positive Energie und Selbsterhaltungstrieb steckt auch in ihnen. Jeder Gang durch ein tiefes Tal macht die Weite des eigenen Herzens und der eigenen Gefühle bewusster. Diese Reise hat mir gezeigt, dass je größer die Dunkelheit in mir, desto heller strahlt auch mein Stern.

…Und ich glaube in einigen Gesichtern der Schreiberlinge, die im Studio versammelt sind und die letzten Töne auf sich wirken lassen, ein Leuchten erkennen zu können. Und das ist das größte Kompliment, was einem Album gemacht werden kann… Wahres Berühren, Gänsehaut… und wenn da nicht der eine oder andere flunkerte, dann haben wir für einige etwas Wunderbares vollbracht.

Das Wichtigste ist nun leider fürs erste vorüber, aber es gibt noch so viele Fragen zu beantworten. Tim und ich nehmen in einer ruhigen Ecke auf diversen drapierten Kissen platz und erwarten gespannt die vielen Fragen… Doch was da gesprochen wurde, dürft ihr in den schönen Heftlein und Online-Mags nachlesen. Wir verabschieden uns von einer wundervollen feuchtfröhlichen Listening-Party mit erhobenem Glas, glänzenden Augen und voller freudiger Erwartung auf den kommenden Sommer – und eure Gedanken zu den dunklen Poemen…

Keep the Fire ablaze!

Kirsten

 

Studioreport + Interview: Markus Rutten - www.sounds2move.de / "Own Words" by Kirsten Zahn - Bloodflowerz

Homepage BLOODFLOWERZ: www.bloodflowerz.de
Homepage MASTERSOUND STUDIO: www.mastersoundstudio.de
Homepage SILVERDUST RECORDS: www.silverdust.de

Thanks to: Iris, Alex, Tosso und Mastersound Entertainment sowie natürlich den Bloodflowerz