MTV Campus Invasion, Gießen// Soundgarden Festival, Friedberg
16.07.2005

 

Laut MTV-Aussagen tummeln sich 13.000 Menschen auf dem Kugelberg, der sportlichen Fakultät Gießens. Subtrahiere 6.000 und man ist der Besucherzahl um einiges näher. Im Fernsehen mag es anders aussehen, die Kamera fokusiert die großen Löcher, die im Publikum klaffen, einfach nicht. Wie Bloc Party im MTV-Interview, das wir live mitverfolgen durften, sagten: "Very well filmed" . . .

Bei gefühlten 40°C im Schatten suchen wir Abkühlung in Form von Schatten und Wasser. Beides erscheint auf dem Gelände in unerreichbarer Weite. Kein schattenspendender Baum weit und breit; Mineralwasser für 4€ oder auch gar kein Wasser an den Ständen lassen nicht unbedingt Festivalstimmung aufkommen... Aber da kommen schon Nora, Miriam und Markus, ihres Zeichens MTV-VJs, auf die Bühne, um die erste Band des Tages anzukündigen: Die Briten Kasabian spielen vor sehr wenig Publikum ein exklusives Akustik-Set. Dies war allerdings nicht so geplant. Da Gitarrist Chris aus persönlichen Gründen nicht nach Gießen reisen konnte, musste schnell umorganisiert und improvisiert. So hörte sich ihr Set dann allerdings auch an. - Wobei dazu gesagt werden muss, dass der gesamte Bühnensound auf der Abschluss-Campus Invasion nicht der Beste war. Kasabians Clubhits "L.S.F" und "Club Foot" wollen akustisch einfach nicht so richtig zünden, so dass wir uns enttäuscht verziehen.

Adam Green

Wir sind Helden

Bloc Party, die hier zu Lande gerade einen großen Hype erleben, reißen das Publikum mit ihrer energetischen Show wieder aus der Lethargie. Kein Aufwärmen, kein langsames Antasten, sondern gleich voll herein in die Neo-New-Wave-Lehrstunde. Egal, ob der Sound gut ist, die kleinen Überhits "Banquet" und "Helicopter" erobern trotzdem im Handumdrehen das Herz der Anwesenden. Die knappe halbe Stunde Spielzeit ist hier viel zu knapp bemessen. Publikum und Band selbst ist anzumerken, dass sie mehr wollen.

Als nächstes ist der Reggea-Überflieger Patrice an der Reihe. Da wir ihn aber nicht gesehen, sondern nur von Weitem gehört haben, sei dieser hier nicht weiter erwähnt. Wir sind auf der Nahrungssuche nämlich über den Backstage-Bereich von MTV gestolpert, haben es uns dort auf der Wiese gemütlich gemacht und viel lieber beim Interviewtermin aller Künstler Mäuschen gespielt. So bekommen wir Bloc Party, Adam Green, Wir sind Helden, Kasabian und schlussendlich auch Patrice doch noch von Angesicht zu Angesicht zu sehen.

Wir haben jedoch genug von der schönen Medienlandschaft, die sich ein weiteres Mal als mehr Schein als Sein herausstellt, und verschwinden zu den ersten Tönen Adam Greens in Richtung Ausgang. Die Ordner schauen uns entsetzt an, als wir bekannt geben, nicht wieder kommen zu wollen.

Was folgt ist ein 5km-Marsch durch Gießen. Da in der Stadt mit der höchsten Studentendichte Deutschlands abends natürlich nicht genügend Busse fahren, bleibt uns nichts anderes übrig als zu rennen. Verschwitzt in den Zug, 30km bis Friedberg, ab ins Auto und da stehen wir auch schon: Auf Festival Nummero Zwei, dem Soundgarden.

Adam Green

Kasabian

Wir betreten durch den Torbogen die Burganlage in Friedberg und können von weitem schon Megaherz hören. Schnell durch den Eingang und ab zur Naturbühne, einmal quer durch den Burggarten.
Leider ist nicht viel los. Das liegt weder an der Bandauswahl, noch an der Organisation des Soundgarden-Teams. In diesem Jahr musste das Soundgarden-Festival gegen drei größere, vielleicht zu unrecht bekanntere Festivals, antreten.
An der Naturbühne angekommen, ist die Show von Megaherz schon im vollen Gange und das Publikum nickt zu "Herzblut" mit den Köpfen.
Wie schon im Januar in Frankfurt präsentieren Megaherz mit neuem Sänger das neue Album "5", geben aber auch ältere Stücke zum Besten, was das Publikum mit wilden Pogo honoriert. Megaherz wissen wie sie Publikumsnähe erzeugen und lassen Zuschauer bei Stücken wie "Hurra wir leben noch", "Miststück" und "Jordan" ins Mirkofon grunzen. Bei "Wer bist du", gibt Sänger Mathias "Jablonski" Elsholz die Aufforderung ans Publikum, dass jeder der Textfest ist doch auf die Bühne kommen soll. Aber die Hemmschwelle auf Seiten der Zuschauer ist dann doch zu groß.
Nach eineinhalb Stunden verabschieden sich Megaherz, sehr zu bedauern des Publikums mit "Mach dich frei". Auch wenn Megaherz es nicht ganz einfach hatte auf einem Festival mit vorwiegend so jungem Publikum, haben sie es doch mit Bravour geschafft sich in die die Gehörgänge vieler neuer, junger Fans zu rocken.
Als sich die Megaherz-Fans mit ihren Lederklamotten und langen Haaren langsam von der Bühne entfernen kommen schon die Cashma Hoody Fans mit langen Dreads und Schlabber-Klamotten.

Patrice

Setlist Megaherz

Nach kurzer Umbauphase und Soundcheck treten Cashma Hoody auf die Bühne. Die 6 Frankfurter bezeichnen ihre Musik als Trippin Rock Reggae. Neben Schlagzeug, Bass und Gitarre, gibt es noch Percussion, Synthies, und als besonderes Highlight werden viele Lieder von zwei Sängern gesungen. Da wird nicht nur Rhythmus mit Instrumenten gemacht, da rockt auch der zweistimmige Gesang. Zu Recht haben Cashma Hoody weit über hessische Grenzen Erfolg, diese spezielle Art von Reggae spricht nicht nur hartgesottene Reggae-Fans an, da zuckt es auch dem normalen Friedberger in den Füßen. Der Platz vor der Naturbühne ist auch noch zu später Stunde voll von Festivalbesuchern verschiedenster Altersgruppen, die alle irgendwie ein bisschen glücklicher wirken.
Nach Megaherz ist diese gute Laune Musik eine gelungene Abwechslung und der perfekte Abschluss eines so chilligen und sonnigen Soundgarden-Festivals.

Jetzt aber Karten auf den Tisch: Kann ein kleines Friedberger Soundgarden-Festival gegen ein großes Festival eines Musiksenders, mit landesweiter Werbung und Übertragung mithalten?
Zählen wir mal die Fakten auf:

Megaherz

Megaherz


MTV Campus Invasion:

  • 5 International erfolgreiche Bands
  • staubiger Sportplatz in Gießen
  • keine Festivalbändchen
  • Shuttle-Busse
  • Dixie-Klos
  • überteuerte Getränke- und Essenspreise, bescheidene Essensauswahl
  • keine Sitzmöglichkeiten
  • schlechter Sound
  • schlecht angebrachte Leinwand, die nicht genügend Livebilder sendet, damit das Publikum, das hinten steht, etwas sieht
  • Eine einzige, zu niedrige Bühne, so das das Publikum ab Reihe 7 nur noch erahnen kann, wer gerade auf der Bühne steht
  • Regulärer Ticketpreis: 21 Euro


Soundgarden-Festival:

  • 12 Bands, teilweise lokal, teilweise europaweit erfolgreich
  • Burggarten
  • Festivalbändchen
  • keine Shuttle-Busse
  • Toilettenwagen
  • Getränke- und Essenspreise, die sich auch ein Friedberger Schüler leisten kann, große Essenauswahl
  • Sitzmöglichkeiten, in Form von Steinbänken bei Naturbühne oder Bierbänken bei Getränkeständen
  • guter Sound
  • keine Leinwand, weil man auch in der letzten Reihe noch sieht
  • 2 Unterschiedliche Bühnen, davon eine Naturbühne
  • Ein kleines DJ-Zelt
  • Regulärer Ticketpreis: 15 Euro

Damit steht für uns der Sieger in Punkten fest. Auch mit kleinen Mitteln kann ein größtmöglicher Effekt erzielt werden. Nicht immer punktet die Popularität, sei es die der Künstler oder der Veranstalter.

 

Megaherz

 

 

Text und Fotos: Katrin Reichwein & Sonja Waschulzik – www.sounds2move.de / Juli 2005

 

Links: www.soundgarden-fetival.de //www.mtv.de/campus