Zeraphine "Blind Camera" - Plattenkritik / VÖ 17.01.2005
Einen ersten Vorgeschmack auf das neue Material
gaben Zeraphine bereits mit der Single Die Macht in dir. Am 17. Januar
ist es endlich soweit und Blind Camera, das nunmehr dritte Album der
Berliner, kommt in die Läden. Und bereits der erste Eindruck macht deutlich:
Mit Blind Camera legen Zeraphine ihr bislang stärkstes Album ihrer noch
relativ jungen Geschichte vor.
Fast schon traditionell zogen sich Zeraphine für
die Aufnahmen auch diesmal wieder auf einen Bauernhof im Spreewald zurück, und
das Recording übernahm, wie auch bei den Vorgängeralben Kalte Sonne und
Traumaworld, der Berliner Produzent Tommy Hein. Aber bereits der Opener I
never want to be like you, ein krachender Alternative-Gitarrensong, deutet
an: Das Ergebnis ist alles andere als traditionell. Zeraphine beschreiten
mit Blind Camera neue Wege, das Album ist im Unterschied zu Kalte
Sonne und Traumaworld deutlich härter und rockiger, die Songs wirken
frischer und abwechslungsreicher.
Blind Camera, der etwas merkwürdig
anmutende Albumtitel, steht symbolisch für die Ambivalenz der menschlichen
Wahrnehmung. Die Kamera funktioniert. Und was sehen wir? Einen Ausschnitt, das
Ganze selbst ist für uns nicht sichtbar. Der Ausschnitt jedoch kann etwas ganz
anderes ausdrücken als das Ganze. Bezogen auf die Thematik des Albums heißt
dies, dass der Blick auf eine Person oder eine Begebenheit immer anders
ausfallen kann als die Person sich selbst wahrnimmt und erscheint. Musikalisch
wird dies durch die drei Instrumentalstücke Blind Camera I – III aufgriffen
und verdeutlicht: jedes dieser drei kurzen Songs enthält die Melodie des
anderen.
Konsequent führten Zeraphine auf Blind
Camera musikalisch fort, was bereits die Singleauskoppelung Die Macht in
dir und insbesondere der Song Kaltes Herz andeutete: die Arrangements
sind deutlich komplexer geworden, das Album wirkt dadurch abwechslungsreicher,
der Sound interessanter, was sich insbesondere nach mehrmaligem Hören zeigt.
Verstärkt wird diese Vielschichtigkeit durch die verschiedene musikalischen
Genres, zwischen denen die 12 Songs pendeln: elektronische Einflüsse wie bei Kaltes
Herz oder Jede Wahrheit fügen sich harmonisch an Gothic-Elemenete
wie bei I feel your trace oder an I never want to be like you, dem
bisher wohl härtesten Song von Zeraphine.
Bereits das Debütalbum Kalte Sonne
entfachte eine Diskussion, die sich mit dem Nachfolger Traumaworld noch
steigerte: welche Sprache passt zu Zeraphine? Deutsch, englisch oder beide? Auf Blind
Camera pendeln Zeraphine einmal mehr zwischen diesen. Nach dem komplett in
deutsch eingesungenen Kalte Sonne und Traumaworld, das bis auf
zwei Songs wiederum nur englische Texte enthielt, halten sich auf Blind
Camera deutsche und englische Texte die Waage. Und hierbei zeigt sich einmal
mehr die Sinnlosigkeit der Diskussion. Denn Zeraphine gelingt es mühelos, sich
zwischen den beiden Sprachen zu bewegen und beide zu einem harmonischen Ganzen
zu kombinieren. Sie beweisen außerdem, dass sie zu den wenigen Künstlern gehören,
deren deutsche Texte – siehe Kaltes Herz - höchstes Niveau besitzen
und eine tiefe Emotionalität ohne Kitsch und Phrasen vermitteln.
Blind Camera erscheint am 17. Januar 2005. Neben der normalen Standard- Ausführung der CD mit ihren 15 tracks (12 Songs) gibt es diesmal auch eine Special Edition mit Bonus DVD mit 3 Videoclips (Die Macht in Dir, New Year's Day, Be my rain) und einem langen Interview mit Zeraphine, in dem sie unter anderem von der Tour mit Him und der Produktion des Albums auf dem 'berühmten' Bauernhof im Spreewald erzählen. Das Interview ist durchsetzt mit vielen privat gefilmten Sequenzen von der Tour, der Produktion, dem Videodreh, dem Bauernhof... uvm. Die DVD wurde von der Band selbst zusammengestellt, Sven zeichnet für Regie und Schnitt verantwortlich.
Christine Schams - www.sounds2move.de / 23.12.2004