Wirtz "Auf die Plätze, fertig, los! - Live in Berlin 2015" / VÖ 18.12.2015

 

 

Groß geworden ist er, der Daniel. Die Zeiten von kleinen Kellerklubs sind definitiv vorbei, auf seiner letzten Tour durften sich Daniel Wirtz und Band über bis zu 3.000 Besucher pro Show freuen. Eine davon - das Tourfinale in Berlin - legt jetzt Zeugnis ab über die bisher größte Tour des Wahl-Frankfurters und eine entsprechend schmucke Bühnenproduktion, die man noch vor ein paar Jahren nicht in so naher Zukunft erwartet hätte.

 

Das liegt auch, aber sicher nicht nur an der jüngsten TV-Präsenz des erdigen Vollbartträgers, denn Wirtz hat sich sein Publikum zu großen Teilen auf die gute alte Weise einfach erspielt. Da ist natürlich auch das aktuelle Album "Auf die Plätze, fertig, los!", respektive dessen Hitdichte ein entscheidender Faktor, das großzügig Berücksichtigung im Set findet. Wer sieht wie hingebungsvoll zu "Wenn du willst" und "Ich weiß es nicht" gerockt, oder zu "Mantra" mitgeschunkelt wird, weiß warum. Mit Glück oder Kalkül hat der Erfolg also nicht wirklich etwas zu tun, stattdessen setzt sich erfreulicherweise Qualität einfach mal durch. Schaden kann sicherlich auch nicht, dass Wirtz ein stilistisch und alterstechnisch breit gefächertes Publikum ansprechen, was "Live in Berlin" und die dazugehörige Doku noch mal verdeutlichen. Somit haben die Frankfurter auch kein klassisches "Abgehpublikum", man schwoft eher glückselig mit als dass man sich in Pogo-Ekstase turnt. Was keinesfalls negativ gemeint ist, denn auch eine "gentle Crowd" weiß wie Hits aus voller Kehle mitgeschmettert werden ("Freitag Abend"). Angesichts dieser Liebe ist Frontmann Daniel Wirtz durchaus ein bisschen betrübt darüber, dass er mittlerweile nicht mehr jeden Abend nach der Show noch eine Stunde mit den Fans am Merch abhängen und anstoßen kann. Um die Stimme zu schonen, muss der Sänger stattdessen im Bus in "Isolationshaft". Was nichts am bodenständigen, demütigen Eindruck ändert, den der Sänger und seine Mitstreiter auf und hinter der Bühne hinterlassen, wenn man Daniel etwa dabei zusehen kann, wie er als Entschädigung für seine Nicht-Anwesenheit nach der Show bereits am Nachmittag stapelweise Poster signiert ("schon komisch tausend mal seinen Namen zu schreiben und sich dabei die ganze Zeit selber in die Fresse zu glotzen. Aber Hauptsache die Leute freuen sich!"). Überhaupt ist der Tourfilm eine sehenswerte Angelegenheit, denn er reicht von der Generalprobe am Tag vor dem Tourstart in Daniels alter Heimat Dortmund, über die diversen Zwischenstationen, bis zum in Gänze festgehaltenen letzten Abend beim Grande Finale in der Berliner Columbiahalle. Dabei wird auch nicht verschwiegen, dass gerade am Anfang der Tour nicht alles glatt läuft, Songs verkackt oder etwa Anweisungen zur Ausleuchtung der Bühne galant überhört werden. Rock ´n´ Roll eben und davon haben Wirtz natürlich eine gehörige Portion im Gepäck, auch wenn man sich ein bisschen gewünscht hätte, dass Klangmeister Vincent Sorg dem Sound von "Live in Berlin" noch ein paar mehr Ecken und Kanten hätte durchgehen lassen. Den 3.000 Fans samt wie im gesamten Tourverlauf überwiegend weiblich besetzter erster Reihe können diese Mini-Mängel der Nachlesen schnuppe sein, denn sie haben 100 Minuten lang genau das bekommen, wofür sie gekommen sind - Wirtz in Reinkultur, mit neuen wie alten Hits ("Ne Weile her", "LMAA", "Wo ich steh") und einem kleinen Unplugged-Set ("Sag es"/"Wenn sie diesen Tango hört"/"Scherben"). Damals wie heute: eine runde Sache.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de