William Control „Noir“ / VÖ 11.06.2010

 

 

 

Will Francis, hauptberuflich Front-Energiebündel bei den Post-Punks Aiden, hat offensichtlich immer noch zu viel Freizeit. Anders ist es nicht zu erklären, dass er mit „Noir“ schon sein zweites Soloalbum binnen weniger Jahre einschiebt, wohlgemerkt ohne bei seinem daueraktiven eigentlichen Brötchengeber auf die Bremse zu treten. Der Selbstverwirklichungswahn scheint also stärker zu sein als das Bedürfnis nach Schlaf und Freizeit.

 

Ob die Fans des Sängers (der sich zumindest gesanglich tadellos präsentiert) dessen Engagement standesgemäß zu würdigen wissen werden, ist allerdings so eine Sache. Denn „wer die Hauptband mag, dem gefällt das Projekt automatisch auch“ ist in diesem konkreten Fall mitnichten zutreffend. Das Problem ist dabei noch am kleinsten, wenn man die Coverversion „Can’t help falling in Love“ als Maßstab nimmt, denn diese Interpretation kommt mit ihrem unterschwelligen Nick Cave-Vibe noch recht gut rüber. Anders wir es (einem), wenn man sich alternativ von den Techno/Trance/Darkwave Schrubbereien manch anderer Nummern berieseln lässt. Nicht selten bestätigt sich nämlich der Eindruck, den schon das Albumcover vermittelt. Es scheint so, als wolle sich William Control endgültig zum Freizeit-Goth-Papst aufschwingen und gibt deshalb den Chris Pohl 2.0. Wer das kaufen soll ist da die Frage, denn Punk und Emocore-Fans werden einen großen Bogen um diesen Mischling aus VNV Nation, (schlechten) Depeche Mode und sonstiger Gruftidissen-Standardbeschallung machen. Währenddessen verzichten wohl auch die meisten Samtkleidträgerinnen und –träger, weil sie dem Braten nicht trauen, wenn sich ein vulgärer Punk-Bengel an „ihrer Musik“ versucht. Angesichts dessen ist es fast schon ein bisschen schade, dass die beiden hörenswerten Balladen „Noir“ und „Soliloquy“ tragischerweise mit diesem Album untergehen werden. Was eigentlich die blanke Verschwendung ist, wobei ich andererseits auch erleichtert bin, dass Will Francis seine elektronischen Gelüste lieber hierhin abfließen lässt, anstatt damit ein Aiden-Langeisen zu verhunzen. Dieses Worst-Case-Scenario bleibt uns aber zum Glück erspart. Danke, Will.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de / 08.06.2010