Welle:Erdball „1000 Engel“ EP / VÖ 18.03.2016

 

 

Bereits im November letzten Jahres erschien die neue Welle:Erdball EP „1000 Engel“ in einer ultra limitierten Vinyl-Box-Version und war in kürzester Zeit ausverkauft. Damit nun auch der normal sterbliche Teil der Fan-Schar in den Genuss dieses Outputs kommt, ist „1000 Engel“ jetzt in einer regulären CD Variante in die Plattenläden dieser Welt gestellt worden. Und das ist auch gut so. Die Elektrofreunde aus der niedersächsischen Landeshauptstadt zeigen sich auf den sechs neuen Stücken überraschend experimentierfreudig. Der Titeltrack (offenbar haben Welle:Erdball eine besondere Beziehung zur Zahl 1000 – nach „1000 Küsse“ und „1000 weiße Lilien“ nun „1000 Engel“) ist eine fast schmalzige Ballade mit meterdick Pathos. Doch kennt man die Band schlecht, wenn man glaubt, es handele sich hierbei um ein profanes Liebeslied. Vielmehr geht es mal wieder um die Utopie einer besseren Welt. Um diese zu erkämpfen, wird es aber wohl mehr brauchen als die Unterstützung durch 1000 Engel. Musikalisch ist das Ganze sehr eingängig, durch die Tatsache, dass das Stück auf der Scheibe zusätzlich noch in der Rotkäppchen Version, im Massiv in Mensch-Remix und als unbenannter Hiddentrack zu hören ist, kann es dann doch etwas zu viel des Guten werden, wenn man die CD am Stück in Dauerrotation im Player hat. Um die verklebten Gehörgänge zu befreien, wartet „Re-Animierung“ mit richtig harten Elektrobeats auf. Honey darf mal wieder aggressiv shouten – die Botschaft „Vergiss deinen Ursprung nicht!“ könnte auch eine kleine Erinnerung an die punkig angehauchten Anfangstage der Band sein. Mit „Zeitverbot“ hat man dann eine 1A-Mittneunziger Eurodance-Nummer am Start mit (allerdings nur auf den ersten Blick) Gaga-Text inklusive. Konsequenterweise gibt es sogar den für damalige Zeiten typischen Wechselgesang: Honey als „Rapper“ und als Kontrapunkt die weiblich gesungene Melodie. Und beim aus dem Off gerufenen „Zeitverbot“ hab ich in der Tat sofort an „Der Berg ruft“ gedacht... Sehr relaxt klingt das auf dem alten Keyboard Yamaha PSS-401 vorgetragene „Ein Teil von mir“, bei dem es sich dann doch um ein echtes Liebeslied handeln könnte. Um die praktische Liebe (oder eher um die Verhinderung selbiger) geht es in „Liebe, Sex und Zärtlichkeit“. Wieder bestimmen härtere Beats das Geschehen, und Honey überzeugt mit deutlichen Worten („Pack auch dein Spielzeug weg, das Original ist an mir dran, will ich mit Plastik spielen, schalte ich den Computer an“). Das fünfte Bandmitglied, der C=64, bekommt bei „Nerdfaktor 42“ seinen Einsatz. Inhaltlich wird hier das Klischee vom menschenscheuen aber größenwahnsinnigen Computerfreak bedient, musikalisch aber durchaus eingängig umgesetzt (verhaltene Chöre inklusive). Als Bonus gibt es eine Neueinspielung von „Die neue Welt“ vom 1995er Album „Alles ist möglich“, die sich am ehesten durch eine etwas bessere weibliche Gesangsdarbietung vom Original abhebt, sowie einen Melted Moon-Gameboy-Remix von „Grüße von der Orion“. Aber unter dem Strich bieten auch die sechs neuen Stücke schon genug Gründe für den Erwerb dieser EP.

 

Alexander Dontscheff - www.sounds2move.de