Walls of Jericho "No one can save you from yourself" / VÖ 25.03.2016

 

 

 

Milde, Zurückhaltung und ein gesetztes Auftreten? Bruno Labbadia würde sagen "am Arsch geleckt" und Walls of Jericho-Shouterin Candace Kucsulain wohl eine ähnliche Antwort geben, wenn man sie fragen würde, ob irgendetwas von gerade genanntem auf sie zutreffen würde - jetzt, da sie Mutter geworden ist und ihre Band eine mehrjährige Pause eingelegt hat. Eher ist das Gegenteil der Fall.

 

Angriffslustig und gallig ist der Fünfer aus Detroit. Allerdings hatte die Wut, die jetzt in "No one can save you from youself" kanalisiert wurde, auch genug Zeit, um sich aufzustauen. Immerhin liegt dessen Vorgänger nicht weniger als acht Jahre zurück, eine - wenn nicht zwei - Ewigkeit(en) im sich gefühlt immer schneller drehenden Musikzirkus. An diesem Indiz lässt sich festmachen, welchen Stellenwert Walls of Jericho bei ihrer Zielgruppe genießen und wie viel Kredit man sich erspielen kann, wenn man ehrlich und integer ist. Der neue Longplayer ist natürlich trotzdem irgendwie ein gefühltes Comeback-Album, wenngleich man irgendwie nie das Gefühl hatte, dass das Quintett wirklich weg war oder jemand anderes ihre Relevanz in Frage gestellt hätte. Was die Publikumslieblinge nicht davon abhält, mit einem ordentlichen Tritt ins Fressbrett zurück zu kommen, der "No one can save your from yourself" eindeutig ist. Wieder etwas mehr Hardcore und dafür weniger Metal schien über weite Strecken eine der ungeschriebenen Vorgaben zu sein. Hinzu kommt das nicht gerade lebensfrohe Thema des Albums, dessen Düsternis und Bitterkeit zu jeder Sekunde greifbar sind, sei es beim angethrashten Titeltrack, dem erst bedrohlichen, dann brutal zuschlagenden "Cutbird" oder dem schleppenden, zwischenzeitlich fast schon doomigen "Reign supreme". Diese Songs sind ein Manifest für Pit-Jünger und Muskelprotze in durchgeschwitzten Unterhemden, die zu "Wrapped in Violence" durch den Club springen und sich zu "Illusion of Safety" so richtig schön zerstören wollen. Die dafür nötigen verbalen Brandfackeln brüllt Kraftpaket Candace, die übrigens passionierte Gewichtheberin ist, mit der ihr eigenen Dominanz und Kompromisslosigkeit durch die Boxen, sodass sie fast schon einem Befehl gleich kommen. Und damit anlässlich ihrer Rückkehr auch wirklich kein Stein auf dem anderen bleibt, zeigen sie den bisweilen deutlich zu weich gespülten Jungspunden bei "Relentless" auch noch einmal woher das Core in Metalcore kommt, wenn Gangshouts auf einen metallischen Dampfhammer und astreinen Aggro Punk treffen. Umso überraschender ist es, dass auf der Zielgeraden tatsächlich noch mal ein Rückgriff auf die "Redemption" EP von 2008 kommt: Eine gespenstische Pianomelodie verdichtet sich hier mit Ambiente-mäßigen Soundspielereien und dem einzigen Klargesang des kompletten Albums zum atmosphärischsten Song der kompletten Scheibe, der zu seinem Höhepunkt hin sogar noch in einer Winzigkeit Bombast fußt. Ein paar mehr Hooks hätten "No one can save you from yourself" zwar gut zu Gesicht gestanden, aber auch so hinterlassen Walls of Jericho Eindruck bei ihrer Rückkehr.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de