Velvet Acid Christ "Lust For Blood" / VÖ 29.09.2006


 
Lieben oder Hassen? An dieser Frage werden sich auch beim neuen Album einer der erfolgreichsten und innovativsten Künstler der elektronischer Musik die Geister scheiden. "Lust For Blood" heißt das neue Werk von Velvet Acid Christ, mit dem sich Mastermind Bryan Erickson aka Hexfix93 zurückmeldet. Und wie seine Vorgänger wird auch "Lust For Blood" die Hörergemeinde spalten, ist es doch ein typisches Velvet Acid Christ-Album: die Gesänge düster gehaucht bis extrem verzerrt, die Melodien eingängig, mal im Midtempobereich, mal sehr ruhig, im Hintergrund wabern vielschichtige Soundcollagen zu schleppend-stampfenden Beats, mal atmosphärisch und verträumt, mal wütend-aggressiv, dann wieder traurig. 13 abwechslungsreiche und vielschichtige Songs, bei denen scheinbar für jeden etwas dabei ist, ob Electro-Anhänger oder nicht. Einmal mehr schwer zu beschreiben, einmal mehr ein Album, das ebenso viele lieben wie hassen werden, einmal mehr echt Velvet Acid Christ.

 

Bereits der Opener "Wound", in dem es um Tierquälerei geht, unterstreicht dieses: der gehauchte, fast heisere und verzerrte Gesang zu schleppenden Beats und einer eingängigen Melodie im Midtempobereich, die Atmosphäre ist düster bis traurig. Ein vielschichtiger Song, der sich beharrlich im Ohr festsetzt und deshalb ganz zu Recht derzeit die DAC-Charts stürmt. Nach dem schnelleren und härteren "Parasite", das mit einem klaren Gesang aufwartet, folgt das extrem düstere "Discoloured Eyes", in dem der Gesang fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrt ist. Die Vielschichtigkeit und Abwechslung ihrer Songs ist es vor allem, wofür Velvet Acid Christ weltweit geliebt und geschätzt werden. "Crushed" unterstreicht diese diese künstlerische Fertigkeit einmal mehr: Nach einem ungewöhnlich verträumten und langsamen Beginn entwickelt sich "Crushed" mit tiefen Bässen, Gitarrensoli und einem heiseren Gesang zu einem Wave-Gothic-Song der Extra-Klasse, den auch Cure-Fans lieben werden. Nicht weniger ungewöhnlich und genial ist "Ghost In The Circuit", ein ruhiger und verträumter Synthiesong und einer von insgesamt drei Instrumentaltracks auf "Lust For Blood". EBM-Puristen dagegen werden ihre Freude an Songs wie "Disconnected Nightmare", "Polyester Meth Zeus" oder "Kashmir Crack Krishna" haben, allesamt schnelle, harte, clubtaugliche Electro-Tracks, die an frühere Velvet Acid Christ Songs erinnern. "Lust" wiederum ist schneller Gothrock mit einem heiseren Gesang, wirren Soundcollagen und einer durchgängigen Basslinie, die den Song vorantreibt. Beängstigende Souncollagen bestimmen auch "Blood", das sich zudem durch für Velvet Acid Christ sehr harte Gitarrenriffs aufzeichnet. Nicht unterschlagen sei an dieser Stelle der Song "For", wobei "Song" des Pudels Kern nicht wirklich trifft: "For" ist nicht mehr als vier Sekunden Stille.

 

Alles andere als still ist dagegen der Abschluss. Leider. Lieblos scheppern hier bei den Instrumentaltracks "Psychoaktive Landscape" und "Ghost Regen" die Computerdrums zu einer wenig originellen Melodie, die Atmosphäre ist künstlich, die Struktur einfach und überschaubar. Den Songs werden wohl nur Hardcore Velvet Acid Christ-Fans und Tranceliebhabern etwas abgewinnen, bei allen anderen hingegen dürften sie nicht mehr als ein verzweifeltes Kopfschütteln hervorrufen. Ein plumpes Ende für ein bis dato gelungenes Album.

Christine Schams - www.sounds2move.de / 17.09.2006