Tristania „Darkest White“ / VÖ 31.05.2013
Nachdem
Sängerin Mariangela "Mary" Demurtas auf dem durchwachsenen 2010er-Album
„Rubicon“ ihren Einstand gegeben hat, veröffentlichen Tristania nun
ihren neuen Longplayer. „Darkest White“ ist das 7. Album einer Band,
deren Diskographie so vielfältig und berechenbar ist wie die berühmte
Pralinenschachtel aus Forrest Gump.
Tristania machen es ihren Fans nicht leicht, weil sie erneut ihren Stil
modifiziert haben. Verdeutlicht wird dies eindrucksvoll durch den
Opener „Number“, der auf einem wuchtigen Metalfundament basierend
ordentlich Dampf macht und dabei gar nicht nach Klischee Gothic Metal
klingen mag. Dieses dynamische Lied lebt Aggression und zeitgleiche
Melancholie – eine unheilvolle Einheit, die sich perfekt entlädt und
Tristania von einer bisher ungewohnt bissigen Seite zeigt. Das
Titelstück „Darkest White“ könnte sich als „Smash Hit“ erweisen.
Tristania zeigen sich hier von einer sehr eingängigen und
refrain-lastigen Seite, die Gitarrenarbeit ist wuchtig, streckenweise
dezent hysterisch; der Refrain übermächtig und einfach nur perfekt. Ein
großes Lob gebührt dabei sicherlich auch Kjetil Nordhus, der mit seinem
gefühlsbetonten und charismatischen Gesang einen entscheidenden Beitrag
zum Gelingen dieses Liedes innehält. „Himmelfall“ erweist sich erstmals
als melancholisches Stück mit reduziertem Aggressionslevel. Die
Intensität der ersten beiden Stücke wird dabei nicht erreicht, aber
„Himmelfall“ erweist sich für den Hörer durchaus als willkommene
Verschnaufpause. „NIght On Earth“ zieht die Metalschrauben wieder
deutlich an. Die Gesangslinien gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Für
mich eine seltsame Feststellung, dass Tristania so etwas wie Ohrwürmer
schreiben können.
Ich bin gnadenloser Anhänger der ersten Tristania Alben und habe mich
mit den Werken seit „Ashes“ immer schwer getan. Mit „Rubicon“ habe ich
erst wieder Zugang zur Musik Tristanias gefunden. „Darkest White“ ist
vertonte Perfektion des derzeitigen Stiles dieser Band und beweist,
dass Metal, Melancholie und der Wille zur Weiterentwicklung nicht
zwangsläufig in Schrott (siehe Sirenia; aber okay, die entwickeln sich
auch nicht…) enden. Im Gegenteil.
Christian Stiewe - www.sounds2move.de
Keine
Ahnung, warum ich schon wieder die Rezension zu einem neuen Album von
Tristania schreiben darf. Bereits vor drei Jahren zu „Rubicon“ hatte
ich eigentlich eher einen wehmütigen Nachruf auf die Band verfasst als
mich objektiv mit dem neuen Material auseinander zu setzen. Dass das
nun mit „Darkest White“ anders wird, durfte nicht erwartet werden. Fakt
ist, nach dem Ausstieg von Morten Veland (2000) und Vibeke Stene (2007)
fehlt nun auch noch Østen Bergøy, der Mann für die Gänsehautmomente in
Sachen klarem Gesang. Sein Nachfolger Kjetil Nordhus nervt hier zwar
nicht wie seinerzeit bei Trail of Tears und hat sogar ein paar
gelungene Momente, aber den Verlust wettmachen kann er keinesfalls.
Auch die „harschen“ (sic) Vocals können, wenn sie denn mal zum Einsatz
kommen, nur wenig überzeugen. Zu schraddelig klingt das Gekrächze von
Anders Høyvik Hidle, der ja eigentlich auch gelernter Gitarrist ist.
Dagegen hat sich Mariangela Demurtas steigern können. Gleich im
überraschend harten Opener „Number“ sorgt sie für einen
ausdrucksstarken, melodischen Gegenpart zu dem, was ihre männlichen
Kollegen da veranstalten. Auf jeden Fall gehört „Number“ zu den wenigen
Highlights des Albums und erinnert am ehesten an alte Glanztaten der
Band. Auch der folgende Titeltrack kann sich hören lassen. Eine Gothic
Rock Nummer, die mich im Refrain etwas an Killing Joke erinnert. Hier
passt ausnahmsweise mal der Krächzgesang ganz gut. Der dritte Track
„Himmelfall“ kann ebenfalls gefallen. Wieder ist es vor allem die
Demurtas, die mit ihrem einschmeichelnden Refrain für
Wiedererkennungswert sorgt. Aber auch Kjetil Nordhus kann hier mit
gelungenen ruhigen Parts punkten. Auffällig ist die teilweise fast
funkige Gitarrenarbeit zu Beginn des Stückes. Nach der durchaus
gelungenen Eröffnung des Albums geht es leider steil bergab. Von den
folgenden sieben Stücken hat es keines geschafft, sich nachhaltig in
meinen Hirnwindungen festzusetzen. „Requiem“ ist noch eine recht
gefällige, ruhige Gothic-Nummer, aber dann? Vielleicht noch „Night on
Earth“ mit seinen Stoner-Rock-Anleihen oder das atmosphärische
„Cypher“, der Rest ist vernachlässigbar. Tiefpunkt ist die Ballade
„Lavender“, die völlig unberührend an mir vorüber geht. Der
Rausschmeißer „Arteries“ versucht es noch mal mit einem eingängigen
Refrain, der diesmal aber an Kjetil Nordhus´ Stimme scheitert (aus
meiner subjektiven Sicht zumindest).
Was bleibt also als Fazit? Dass Trail of Tears nun endgültig die Krone
im norwegischen Gothic Metal auf haben (so es sie denn in welcher Form
auch immer noch gibt) und dass ich vielleicht nicht der richtige
Rezensent für neue Tristania-Alben bin. Mag sein, dass andere ihre
Freude an „Darkest White“ haben werden, ich dagegen trauere jetzt
lieber Meisterwerken wie „World of Glass“ oder „Widow´s Weeds“
hinterher.
Alexander Dontscheff - www.sounds2move.de