Trail Of Tears „Oscillation“ / VÖ 26.04.2013

  

Es ist geradezu eine Schande, wie diese Band in den letzten Monaten via Facebook den Bach heruntergegangen ist. Okay, es mag vorher schon einiges im Argen gewesen sein, aber nichtsdestotrotz eine fürchterliche Nummer. Es ist schade, dass sich die Band nach dem neuen Album „Oscillation“ deshalb auflösen wird.

Trail Of Tears machen auf „Oscillation“ genau das, was sie während der letzten Alben auch gemacht haben (sieht man mal von „Free Fall into Fear“ ab). Sie spielen symphonischen, melodischen, manchmal aggressiven – auf jeden Fall aber sehr guten Metal, der sich in gruftigen Gefilden wohl fühlt. Dass „Oscillation“ dabei wie eine reifere Form von „Bloodstained Endurance“ klingt, macht es im Prinzip nur besser. Der seit Wochen bekannte Titeltrack fasst die stilistischen Merkmale hervorragend zusammen und komprimiert sie auf knappe 4:30 Minuten. Trotz aller Vielfältigkeit und Detailverliebtheit verliert die Band nie den Blick für den Song an sich. Balladeske Töne dürfen natürlich auch nicht fehlen. Mit „Lost In Life“ ist damit auch der (relative) Schwachpunkt auf diesem Album gefunden. Für meinen Geschmack erscheint das Lied etwas zu beliebig und kann mit den anderen starken Liedern á la „Eradicate“ (Säge-Säge-Säge-Gitarren!) oder auch dem Opener „Waves of Existence“ nicht mithalten.

Diese knappe Stunde Musik ist das letzte Album einer sicherlich nicht übermäßig innovativen, aber dennoch sehr starken Band. Rückblickend auf die Diskographie verliert diese Art Musik einen der letzten noch verbliebenden starken Vertreter. Viele Bands á la Tristania oder auch Sirenia (Schlaftablette) haben sich von diesem pompösen Stil des Gothic Metal verabschiedet – Trail Of Tears haben ihn hingegen bis zum Schluss zelebriert. Man darf gespannt sein, wie es mit Ronny Thorsen weitergehen wird.

Christian Stiewe - www.sounds2move.de

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Wenn man gehässig wäre, könnte man meinen, Trail of Tears-Kopf Ronny Thorsen hätte bei der Wahl des Bandnamens in die Zukunft geblickt und diesen auf die Entwicklung der Bandgeschichte gemünzt. Denn die letzten Jahre müssen für den Norweger in der Tat ein einziger zwischenmenschlicher Pfad der Tränen gewesen sein. Zum zweiten Mal nach 2007 hat sich das Bandgefüge komplett pulverisiert, und offiziell soll nun endgültig Schluss sein. Ob da wirklich das letzte Wort gesprochen ist, kann man anzweifeln. Und will man vor allem anzweifeln angesichts eines so hochklassigen Albums wie „Oscillation“, das uns die Band hier als vermeintliches Vermächtnis hinterlassen hat. Schon die ersten drei Songs sind das Beste was man seit langem an norwegischem Gothic Metal gehört hat (wahrscheinlich seit der Vorgängerscheibe „Bloodstained Endurance“ vor vier Jahren). Der Opener „Waves of Existence“ lebt von der sich hineinsteigernden Stimme von Cathrine Paulsen und von den leisen Zwischentönen (die eigentlich das ganze Album bestimmen). Fast fließend geht es zu „Scream out loud“ über, das noch eingängiger ist. Die Growls von Ronny wirken seltsam entrückt und entwickeln so eine fast Gänsehaut erzeugende Brachialität. Cathrine setzt im Ohr hängen bleibende „Can you feel the Pain“-Shouts dagegen. „Crimson Leads on the Trail of Tears“ im Anschluss ist mein persönlicher Favorit des Albums. Die Gitarren bereiten den melodischen Teppich für eine Gothic-Hymne der Extraklasse. Ronnys Growls wirken als Contrapunkt einfach nur monumental, und die Poulsen liefert den eingängigen Refrain sowie im Mittelpart ein wenig Stimmakrobatik. Der Titeltrack wartet mit einem schönen, melancholischen Refrain auf. Das folgende, ziemlich ruhige „Path of Destruction“ hat dagegen schon fast etwas von einem James Bond Song. Natürlich ist bei 13 Tracks und einer Spielzeit von knapp einer Stunde (zumindest auf der Digi mit zwei Bonussongs) auch der ein oder andere Füller dabei. Wobei bei den meisten anderen Bands dieses Genres diese Füller wohl zu den Highlights zählen würden.

Definitiv erwähnen muss man noch „Room 306“, das sehr schnell im Ohr hängen bleibt und dessen „Realise what is lost“-Chorus man gut auf den aktuellen Zustand der Band beziehen könnte. Auch das sehr getragene „Lost in Life“ hat Ohrwurmqualitäten sowie einige sehr schöne Arrangements. „Sleep forever“ liefert ebenfalls alles, was man sich von einer eingängigen Gothic Metal Hymne wünscht, einmal mehr überzeugt Cathrine Paulsen durch ihre Variabilität. Das abschließende „Quick Fix of Shame“ bietet dann noch mal die genretypischen Chöre und hinterlässt einen mit dem wehmütigen Gefühl, dass das ja wohl nicht alles gewesen sein darf. Sollte mit „Oscillation“ dennoch der Schlussstrich unter die letzte große Hoffnung des norwegischen Gothic Metals gesetzt sein, so wäre dies wirklich mehr als schade.

Alexander Dontscheff - www.sounds2move.de