Toehider „What Kind Of Creature Am I?“ / VÖ 2013

 

 

So manchem Progrock-Fan wird der Name Toehider bestimmt vage bekannt vorkommen. Das könnte dann womöglich an dem Umstand liegen, dass Bandchef Michael Mills auf der großartigen letzten Ayreon-Rockoper „The Theory of Everything“ als Gastsänger dabei war (und überdies die Irish Bouzouki zupfen durfte). Wenn ein Musiker wie Arjen A. Lucassen, der aufgrund seiner eigenen Prominenz sowie weitreichender Kontakte vermutlich so gut wie jeden Sänger der Szene hinter das Mikrofon hätte beordern können, sich dazu entschließt, einem außerhalb Australiens so gut wie unbekannten Vokalisten eine der größten Rollen in seinem neuen Singspiel zuzuteilen, kann man bereits daraus den zutreffenden Schluss ziehen, dass es sich bei Herrn Mills um einen überaus begabten Vertreter seines Fachs handeln muss. Und wer die Ayreon-Platte dann auch tatsächlich gehört hat, weiß ja bereits, zu welch großen gesanglichen Leistungen der Mann fähig ist.

 

Bei seiner eigenen Band Toehider profiliert sich der Vollblutmusiker indes nicht lediglich als Sänger, sondern auch als vielseitiger Songschreiber und versierter Multiinstrumentalist. Genau genommen handelt es sich bei Toehider nur in der Live-Situation um eine Band im eigentlichen Sinne, da Mills im Studio fast alles allein einspielt und in diesem Zuge auch gleich die Rollen des Produzenten und des Tontechnikers übernimmt. Freilich ist dies in den Zeiten des Home-Recordings nicht mehr gar so ungewöhnlich, wie es noch vor einiger Zeit gewesen sein mag. Führt man sich das neue Album von Toehider zu Gemüte, offenbart es sich aber ganz eindeutig, was für eine beeindruckende Leistung der Australier hier vollbracht hat. Auf „What Kind of Creature am I?“ erwartet den Hörer eine ordentliche Breitseite verschiedener Stile – Anklänge an 80er-Jahre-Stadionrock haben dort ebenso ihren Platz wie Reminiszenzen an Jethro Tull (Folkeinflüsse) und Queen (Chöre), Metal-Eruptionen, Pop-Punk-Flair, orchestraler Bombast, entspannte E-Piano-Passagen und dramaturgisch genau getimter Unfug, wie etwa der bewusst schäbige Orgelsound gegen Ende von „The Thing with Me“. Zusammengehalten wird dieses Konglomerat von großartigen Ohrwurmmelodien, welche sich Michael Mills in schon beinahe beängstigend großer Zahl aus dem Ärmel schüttelt, der von vorne bis hinten hochklassigen musikalischen Umsetzung und einer tüchtigen Schippe Humor. Eine ähnliche Platte hätte sonst allenfalls Devin Townsend produzieren können. Zumindest erinnert die eklektische musikalische Herangehensweise in Verbindung mit Texten, die hinter viel schelmischem Nonsens auch humoristisch überzeichnete Selbstreflexion und bisweilen sogar echte Nachdenklichkeit verstecken, ein wenig an das Wirken des genialen Kanadiers. Nichtsdestoweniger haben Stimme, Melodieführung und Gitarrenstil Mills‘ sehr individuellen Charakter. Darum ist es letztlich auch überhaupt kein Problem, dass Michael Mills seine Einflüsse gar nicht erst zu verbergen versucht, denn das Gebräu, das er daraus herstellt, klingt vollkommen frisch und unverbraucht. Wer Prog auch dann schätzen kann, wenn er nicht bierernst, sondern vielmehr ein wenig überdreht daherkommt, dem sei dieses überaus gelungene Album ans Herz gelegt! Bezogen werden kann der Australien-Import zum Beispiel über www.justforkicks.de.

 

Florian Gothe - www.sounds2move.de