The Tangent „Down And Out In Paris And London“ / VÖ 13.11.2009

 

 

Englische Prog Rock Bands gibt’s es nicht wenige, viele davon beziehen sich immer wieder gerne auf die einheimische Literatur, hier eine Novelle von George Orwell. Damit befinden sich The Tangent schon einmal in halbwegs sicherem Fahrwasser. Auch die Besetzung liest sich vertraut: Gitarre, Bass, Schlagzeug, Flöte, Gesang, Keyboard - genau die Instrumente, welche auch schon von den großen Vorgängern ab Ende der Sechziger gespielt wurden. Als i-Tüpfelchen im Sound kommt gelegentlich das Saxophon zum Einsatz, außerdem gibt es einige elektronische Elemente zu hören, besonders modern-verzerrt klingende Keyboards.

 

Beeindruckend auch, dass The Tangent trotz vieler Turbulenzen im Bandgefüge, sprich vielen Line-Up-Wechseln und anderen musikalischen Verpflichtungen der Mitglieder (Bläser Theo Travis arbeitet zum Beispiel mit zahlreichen Genregrößen zusammen)  schon ihr fünftes Album seit 2003 veröffentlichen und dies bei weitem kein halbgares Werk ist, sondern fünf Songs bei einer Stunde Laufzeit bietet, die mit der gleichen spieltechnischen Präzision, soundtechnischen Perfektion und gefühlvollen Hingabe daherkommen, wie britische Progbands dies schon jahrzehntelang schaffen. Der Opener „Where Are They Now?“ gibt in seinen fast 20 Minuten die Marschrichtung vor: Viele ruhige Momente, Hammond Orgel, stellenweise bombastisch, unaufdringlicher Gesang von Andy Tillison, der ein bisschen an Mark Knopfler erinnert sowie Abwechslungsreichtum, der nicht allzu vertrackt ausfällt und dadurch das Stück nachvollziehbar macht. Das ist große Kunst, die beim folgenden „Paroxtine – 20mg“ fortgesetzt wird, welches dann eher elektronisch klingt und sich in seinem Verlauf stetig steigert. Der abschließende Track „The Canterbury Sequence Volume 2. Ethanol Nail Hat“ (was für ein Songtitel) zeigt die Nähe und Liebe The Tangents zum Canterbury Sound. Wer sich auskennt, der weiß was ihn erwartet.

 

Insgesamt hätte ich mich über ein paar mehr Einsätze der E-Gitarre und somit kräftigeren, dunkleren Sound gefreut. So ist „Down And Out In Paris And London“ aber ein gelungener Soundtrack für eine virtuelle Tour durch diese Metropolen. Urban, lebendig, spannend und abwechslungsreich. Vor allem verbleibt Dank des grandiosen letzten Stückes ein positiver Nachgeschmack und somit die Lust, die Platte wiederholt zu hören.

 

Nils Obergöker – www.sounds2move.de / 20.11.2009