The Rolling Stones „Crossfire Hurricane“ Blu-Ray / VÖ 04.01.2013

  

Jubiläen nimmt auch der längst säulenheilige Rockdino gerne mit. So ziehen die Rolling Stones zu ihrem 50. (!) nicht nur die kürzlich erschienene x-te Best-of „Grrr“ aus dem Hut, sondern auch das neue Jahr startet direkt mit einem Rückblick auf das bewegte Musikerleben der Engländer. Bühne frei für die Dokumentation „Crossfire Hurricane“.

Wo soll man bei so viel Material und noch mehr Geschichte eigentlich anfangen? Klar, am besten natürlich ganz vorne und eben dort setzt dieses Filmchen auch an. Genauer gesagt mit ein paar jugendlichen Rotzlöffeln, die sich langsam aber sicher zum Gegenentwurf zu den braveren (und zur damaligen Zeit trotzdem alle Eltern in Alarmbereitschaft versetzenden) Beatles entwickeln. Daran hat nicht zuletzt der extrovertierte Paradiesvogel Mick Jagger großen Anteil, dem relativ früh im Verlauf von „Crossfire Hurricane“ von einem Journalisten attestiert wird, ein sehr professioneller Performer zu sein. Nur damit dieser dem verdutzten Gegenüber mit einem diabolischen Grinsen versichert, dass er da leider ziemlich falsch liegt. Und doch gibt die Band ihrem in wahnwitziger Geschwindigkeit wachsenden Publikum wonach es verlangt, seien es anzügliche Posen, freches Rabaukentum oder einfach erdigen Rock, der vielen Konservativen und Sittenwächtern damals wie der Untergang des Abendlandes vorkam. Da passt es nur zu gut ins Bild, dass es nicht lange dauert bis erste Bandmitglieder gesiebte Luft atmen dürfen (Drogenbesitz bzw. -konsum), wenn auch nur für sehr kurze Zeit. Schlimmer noch erwischte es Brian Jones, den sein exzessiver Drogenkonsum 1969 sogar ins Grab brachte. Apropos exzessiv: Auch die Konzerte um diese Zeit waren teilweise keine Kindergeburtstage, zumindest wenn das Publikum vermehrt männlichen Geschlechts war und die Jugendlichen nicht wussten wohin mit ihrer Energie. Die einfache Lösung im Testosteronrausch: Randale. Zu dieser Zeit waren die Stones geliebt wie gefürchtet und das aus vielerlei Gründen. Sie waren ein paar Bengel, denen urplötzlich die Welt zu Füßen lag. Oder wie ein Reporter verwundert fragt: „Ihr seid doch eigentlich alle gut erzogen, warum dann dieses Image?“. Eine Antwort gibt es nicht, aber der Erfolg gibt der Truppe recht. Warum ich euch das alles so ausladend erzählen kann, wenn es doch 50 Jahre abzuarbeiten gilt? Weil „Crossfire Hurricane“ mitnichten die komplette Geschichte der Band umfasst, sondern „nur“ ihren Aufstieg zur Weltmacht des Rock. Daraus resultiert auch, obgleich das hier alles nett umgesetzt wurde und reichlich zeitgenössisches Bildmaterial zur Untermalung aufgetischt wird, dass der Zuschauer das Gefühl bekommt, auf halber Strecke abgesetzt worden zu sein. Klar, die Frühphase einer so einflussreichen Band hat ihren ganz eigenen Charme, aber man möchte eben auch wissen wie es weitergeht. Unvollendet ist hier das Schlüsselwort, zumal die Bandmitglieder zwar aktuell zu ihrer Vergangenheit befragt werden und auch gerne Auskunft erteilen, jedoch wird man schon zu Beginn davon in Kenntnis gesetzt, dass beim Interview für diesen Film keine Kameras erlaubt waren. Ein Umstand, der bei einer audiovisuellen Huldigung wenigstens als kurios bezeichnet werden darf, wenngleich sich der zuständige Regisseur mit seiner Mischung aus Archivmaterial und darüber gelegten aktuellen Erzählungen und Anekdoten der Musiker noch gut aus der Affäre gezogen hat. Ein Wunder ist außerdem, an wie viele Details sich die Herren Rolling Stones noch immer erinnern, wenn man die unendlich vielen Drogenmythen berücksichtigt, welche seit jeher die Aura der Engländer umwehen. „Crossfire Hurricane“, benannt nach einer Textzeile aus „Jumpin’ Jack Flash“, ist und bleibt trotzdem ein zweischneidiges Schwert und eine verzwickte Angelegenheit: Die Hard Fans werden schon fast alles wissen, was hier berichtet wird, während Neueinsteiger zwar gut unterhalten und an die Materie herangeführt werden, sich aber garantiert einen Abriss der kompletten Bandgeschichte gewünscht hätten. Fairerweise sollte man aber sagen, dass dafür eine einzelne Blu-Ray wohl ohnehin nicht ausgereicht hätte.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de