The Ocean "Precambrian" / VÖ 09.11.2007

 

 

In beruhigendem azurblau liegt sie da, die Oberfläche des Ozeans, nur hier und dort sanft gekräuselt vom hypnotischen Klang sich wiederholender Akkordfolgen. Die Gedanken ziehen entspannt dahin, von einem verträumten Rhythmus behutsam getragen durch mentale Welten zarter Melancholie. Doch vom einen auf den anderen Moment zieht Nebel auf. Irrlichter und Sirenen buhlen, auf verwunschenen Violinen spielend, um die Aufmerksamkeit des Zuhörers, der sich, gelähmt von der eigenen Faszination, schon bald darauf in einem tosenden Sturm wieder findet. Schlagzeugdonner erfüllt die Luft während das nun pechschwarze Wasser, aufgepeitscht von wuchtigen Gitarrenriffs, in mächtigen Wellen auf das zerbrechliche Boot des Bewusstseins einwirkt. Dunkelheit herrscht, lediglich dann und wann erhellt ein purpurner Blitz das Firmament, um für den Bruchteil einer Sekunde den Blick frei zu geben auf die eigenen inneren Dämonen, die das zerstörerische Treiben hämisch grinsend beobachten. Stille. Das Meer wird wieder ruhig, doch die Entspannung will sich nicht so recht wieder einstellen. Zu sehr weiß man, dass das Unwetter jederzeit wieder losbrechen kann, zu sehr ist man sich der eigenen Orientierungslosigkeit bewusst. Denn auch wenn nun alles einfach und beherrschbar erscheint, bleibt doch der Gedanke im Hinterkopf, dass man letzten Endes durch ein Dasein steuert, welches man niemals der eigenen Kontrolle unterstellen wird.

 

Nun gut, genug der Bildsprache. Aber im Grunde genommen ist dies der einzige Weg, die Musik von The Ocean, die sich beharrlich jeder Kategorisierung entzieht, zu beschreiben. "Precambrian" ist ein Album, das Aufmerksamkeit erfordert, aber dafür auch mit einer intensiven Erfahrung entschädigt, die wie ein düsteres Abbild des Lebens selbst erscheint. Da auch das sehr interessant gestaltete Booklet und die - und das ist beileibe heutzutage keine Selbstverständlichkeit - teils überaus lesenswerten Texte (besonders fein ausgewählt wurde m. E. die Spoken-Word-Passage in "Statherian") einer lobenden Erwähnung mehr als würdig sind, bleibt für mich nur festzuhalten, dass "Precambrian" eines der besten Gesamtkunstwerke seit Langem darstellt.

 

Florian Gothe – www.sounds2move.de  / 20.11.2007