The Man-Eating Tree „Vine“ / VÖ 24.09.2010

 

 

 

Klingt erst mal ein bisschen beknackt, wenn jemand seine Band The Man-Eating Tree nennt. Wer nachforscht findet jedoch heraus, dass es sich dabei um einen Begriff aus der Mythologie handelt, der also durchaus seinen Bezug hat und nicht unter Hinzunahme von bewusstseinserweiternden Substanzen erdacht wurde.

 

Das sich so sehr auf der Hand liegende Namedropping bezüglich der in dieser Band tätigen Musiker (vor allem aber deren Hauptbands) sparen wir uns von vorn herein, um nicht den Eindruck eines auf die Schnelle zusammen gewürfelten Langspielers zu erwecken. Denn obwohl The Man-Eating Tree erst seit 2009 existieren, haben die Finnen mit „Vine“ unbestritten schon jetzt einen in sich geschlossenen kleinen Klangkosmos erschaffen. Finnland = Melancholie ist zwar ein Hut, der älter ist als der Zylinder von Slash, aber genau das ist auch der Aufhänger im vorliegenden Fall. Das Wort Gothic will ich dabei nicht mal in den Mund nehmen, denn die Referenzen sind eher im Doom und Dark Metal-Bereich zu suchen. „Vine“ hat in seinen doomigeren Momenten irgendwie etwas von My Dying Bride, aber auch gewisse Assoziationen zu den Landsleuten Swallow the Sun fallen dem Zuhörer nicht allzu schwer. An deren Unantastbarkeit reicht man zwar nicht heran, aber gut gemacht ist „Vine“ dennoch. Auch die Atmosphäre stimmt, sei es nun in den leidenden Momente, bei wabernden Schwere oder wenn ein Song sich vereinzelt auch mal etwas rockiger aufbäumt („Instead of Sand and Stone“, „Amended“). Den stimmlichen Fähigkeiten von Tuomas Tuominen ist es dabei zu verdanken, dass es keiner der Kompositionen an Eindringlichkeit fehlt. Mit „Nights in White Satin“ (Moody Blues) findet sich zwischendurch auch eine tolle Coverversion, die bemerkenswert adaptiert und sehr eigenständig interpretiert wurde. Wie die Nummer bei Drummer Vesa Rantas Ex-Band geklungen hätte, welche diesen Song einst eigentlich hätte auf links ziehen sollen, werden wir allerdings wohl nie mehr erfahren. Dafür sind The Man-Eating Tree eine mehr als zufriedenstellende Entschädigung, auch wenn „Vine“ eines jener Alben ist, die ihre Zeit brauchen und die man sacken lassen muss, weil manches anfangs zu wenig zwingend wirkt. Der erste Eindruck täuscht in diesem Fall allerdings erfreulicherweise.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de / 19.09.2010