The Agonist „Prisoners“ / VÖ 01.06.2012

 

 

 

Die Kanadier The Agonist wollen nicht jedem gefallen. Und realistisch betrachtet werden sie das auch nicht. Dafür ist ihre Musik (bisher) trotz großer Ambitionen und nicht zu leugnenden Talents einfach nicht spektakulär genug. An der Abwechslung hapert es sicher nicht, schon eher an einer klaren Linie und wirklich eindrucksvollen Momenten.

Bei ihren Nachbarn Otep sind The Agonist damit in bester Gesellschaft. Denn auch Oteps Shamaya will bisweilen deutlich zu viel, obwohl sie auf „Smash the Control Machine“ mehrfach bewiesen hat, dass sie auch richtig gute Songs zu schreiben im Stande ist. So stumpf und lärmig wie „Atavist“ ist „Prisoners“ zum Glück nicht ausgefallen, da The Agonist bei aller Liebe zu Komplexität und Richtungswechseln stets auch Wert auf einen modernen, druckvollen Sound legen. Das macht diesen Zweitling sehr viel angenehmer im Gehörgang als das aktuelle Krachwerk der Brüder und Schwestern im Geiste, kann aber auch nicht alle Kastanien aus dem Feuer holen. Hier und da darf sicherlich aufgehorcht werden, etwa bei der feinen Gitarrenarbeit in „Ideomotor“ oder dem Chorus von „Panaphobia“. Zu oft fehlt es aber doch einfach an einer klaren Linie und griffigen Strukturen – eben einfach an etwas, an dem sich der Hörer festhalten und orientieren kann. Abwechslung und die Verweigerung gegenüber kreativen Schubladen und Schemata in allen Ehren, aber wenn dabei der Song auf der Strecke bleibt, kann ich persönlich nicht konstatieren, dass dieses Unterfangen ein durchschlagender Erfolg ist. Dafür gibt es einfach zu viele andere Bands, die sich zwar kreativ vielleicht etwas mehr zurücknehmen, dafür aber einer klaren Philosophie folgen und somit auch zum Ziel kommen. Nimmt man die Einzelteile für sich, wird auf „Prisoners“ sehr solide bis überdurchschnittlich gerifft, getrommelt und gesungen. Bedauerlicherweise schaffen es die Kanadier (noch) nicht, diese eigentlich guten Voraussetzungen zielgerichtet zu kanalisieren. Oder um den Albumtitel aufzugreifen: The Agonist sind Gefangene ihres eigenen Anspruchs.

Markus Rutten - www.sounds2move.de