Tarja Turunen & Harus „Live at the Sibelius Hall“ / VÖ 25.11.2011

 

 

Kaum jemand verkörpert das Kunstwort “Crossover-Artist” so wie Tarja Turunen. Die Vergangenheit der Sängerin ist bekannt und auch als Solokünstlerin hat sie mit den beiden letzten Alben für viel Wohlwollen unter Rockern und Metalheads gesorgt. Weil natürlich auch das klassische Herz nach wie vor in der Finnin schlägt, hat sie jetzt Harus ins Leben gerufen, die quasi als Ventil für die klassischen Ambitionen Tarjas gedacht sind.


Das erste Scheibchen ist dann auch erst mal ein Live-Album, aufgezeichnet im stilvollen Ambiente und komplett ohne krachige, laute (kurz rockige) Nebengeräusche. Man könnte sagen das Weihnachtsalbum „Henkäys ikuisuudesta“ wurde logisch weiter gedacht und auf die Bretter gebracht, dafür spricht zum Beispiel die Setlist, die sich zu großen Stücken aus Kompositionen zusammensetzt, die der Fan schon von besagter Scheibe kennt. Neu ist neben der Interpretation von Tarjas Mitstreitern vor allem die Tatsache, dass wir Frau Turunen diesmal live-haftig dabei zuhören können wie sie ihren beeindruckenden Sopran erklingen lässt. In den Bereichen Gänsehaut und Atmosphäre ist man damit schon mal ziemlich weit vorne, selbst wenn sich nach einer gewissen Zeit unbestritten doch Stromgitarrenentzugserscheinungen bemerkbar machen. Sei es drum, Harus soll für die besinnlichen Stunden sein und kommt damit gerade jetzt unmittelbar vor der Weihnachtszeit genau richtig. So gesehen findet sich auch „Jouluyö, Juhlayö“ wenig überraschend im Programm, das man hierzulande als klassischen Nikolaussingsang unter dem geläufigen Namen „Stille Nacht“ kennt. Mit dem Unterschied, dass Tarja uns im Gegensatz zu meist doch eher peinlichen Eigeninterpretationen am Weihnachtsabend mit Fremdschämfaktor 10 zeigt wie es richtig geht. Gelernt ist nun mal gelernt. Abschluss und Höhepunkt ist dann eine Fremdkomposition, welche die Sängerin schon seit Beginn ihrer Karriere irgendwie zu verfolgen schient: „Walking in the Air“ von Howard Blake. Von den meisten vermutlich als Nightwish-Komposition missverstanden, feiert der „Oceanborn“-Track hier gewissermaßen ein kleines Revival und wird von Tarja und Harus in besinnlicher Traumhaftigkeit schwelgerisch zelebriert.


Da Tarja-Fans wissen auf was sie sich bei dieser Dame einlassen, spare ich mir an dieser Stelle den Hinweis zur Notwendigkeit einer erhöhten Toleranzgrenze. Jedem muss aber auch klar sein, dass Harus lupenreine Saisonware ist. Was bei frostigen Temperaturen für wohlige Behaglichkeit sorgt, kann bei weniger passenden Gelegenheiten schon mal ins Gegenteil umschlagen. In den nächsten Wochen kann man mit „Live at the Sibelius Hall“ aber erst einmal wenig falsch machen und sich über willkommene Abwechslung zur plärrenden Dauerpenetration in den Fußgängerzonen freuen. Nicht nur in dieser Situation ist Tarja Turunen besser als Wham!, Melanie Thornton und Mariah Carey zusammen.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de