Tarja Turunen „What lies beneath“ / VÖ 27.08.2010

 

 

 

Das alte Leid. Die Kritiker rümpfen schon mal vorsichtshalber die Nase ohne das neue Album von Tarja Turunen überhaupt gehört zu haben. Selbst schuld, denn nach ihrem bereits fast schon durchgängig gelungenen Debüt scheint die Sängerin mit „What lies beneath“ langsam aber sicher richtig in Fahrt zu kommen.

 

Trug die Dame mit der großen Stimme bei „My Winter Storm“ bildlich gesprochen noch Stürzräder an ihrem Vehikel (sprich diverse Co-Autoren beim Songwriting), so braust Tarja inzwischen weitestgehend ohne Hilfe durch die musikalischen Lande. Je weniger von außen reingeredet wird, umso reiner ist das was dabei herauskommt und das ist diesmal mehr Tarja, mehr Rock, mehr Härte. Folglich klingt „What lies beneath“ nicht mehr so oft nach einem Filmsoundtrack, wobei „Underneath“ schon noch durchblicken lässt, wie die Protagonisten 2007 ihren Erstling in Szene setzte.

 

Die Halbballade „Crimson Deep“ bedient verstärkt die Opernsängerin in Tarja Turunen, es geht stimmlich einige Male hoch hinaus, was andeutet zu was die Finnin theoretisch alles im Stande wäre. Dick auftragen ist jedoch gar nicht mal erforderlich, denn stattdessen wird willkommen offensiv auf Riffs und eine grundsätzlich härtere Gangart als noch vor drei Jahren gesetzt. „Falling Awake“ etwa ist ein gelungener Rock-Ohrwurm (inklusive Satriani-Solo), der trotz dezenter Epik ordentlich nach vorne geht. Gleiches gilt für das getragenere „I Feel Immortal“ und das arabisch angehauchte „Dark Star“, das sogar unerwartet ruppig und metallisch klingt, was nicht zuletzt an Gastsänger Phil Labonte (All That Remains) festzumachen ist. Dessen Part sollte ursprünglich einmal Ivan Moody von Five Finger Death Punch intonieren, was seitens des Managements jedoch ebenso untersagt wurde wie vor nicht all zu langer Zeit ein Gastauftritt bei In This Moment. Die Geschäftsleute rechnen wohl mit einem Anruf von Iron Maiden oder U2, viel Spaß beim Warten. Tarja Turnen jedenfalls kommt auch so wunderbar zurecht und kokettiert diesmal gar mit ihrer Vergangenheit bei Nightwish („Until my last Breath“) und deren künstlerischem Zenit „Once“. Trotz dieses möglicherweise unbeabsichtigten Querverweises muss man sich mit „What lies beneath“ endgültig der Tatsache stellen, dass Tarja Turunen eine selbstständige und eigenständige Künstlerin ist, die dank einer hochklassigen Hintermannschaft (Ex-Farmer Boy Alex Scholpp, Mike „50 Baustellen“ Terrana, Ex-Apocalyptica Cellist Max Lilja…) handwerklich zu keinem Zeitpunkt in Frage zu stellen ist. Und stimmlich sowieso nicht. Weiter so, Tarja!

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de / 07.09.2010