Solefald "Red for Fire - An Icelandic Odyssey Part 1" - Plattenkritik / VÖ 17.10.2005
Kategorisierbar. Das waren Solefald noch nie. Von Anbeginn haben sich Cornelius und
Lazare, die beiden Köpfe hinter Solefald, keinen Deut um Genregrenzen geschert und strikt ihre musikalische Vision
durchgezogen. Und so ist auch das neuste Werk, bei dem es sich um den ersten Teil einer zweiteiligen Wikingersage handelt,
alles andere als leichverdauliche Kost.
Auf "Red for Fire - An Icelandic Odyssey Part 1" werden die Konventionen des Genres
auf den Kopf gestellt, dem Hörer die größtmögliche musikalische Toleranz abverlangt. So vermischen die Norweger sowohl Black-
und Death Metal, wie Jazz und Klassik Elemente zu einem Ganzen, wobei die Grenzen dabei fließend verlaufen. Und da die
Komponenten nicht voneinander getrennt werden, entstehen daraus komplexe, aber auch höchst interessante Songstrukturen.
Dabei wird Abwechslungsreichtum großgeschrieben, kommt sowohl harsches Gegrunze, klarer männlicher oder betörender weiblicher
Gesang, verträumte Cello- und Violinenklänge, entspannte Saxophone Einlagen und alles niederwalzende Gitarrenriffs zum tragen.
Und trotz der an sich widersprüchlichen Elemente, wirkt das Album in sich geschlossen und es wird eine sowohl fesselnde, wie
intensive Atmosphäre erzeugt. Schon das eröffnete "Sun i Call", bei dem sich
ein beschwörender Singsang bis zur Raserei steigerd und harte Gitarren unter anderem mit jazzigen Saxophonklängen einhergehen,
vermag durch seine ganz spezielle Note zu gefallen. Mit den beiden darauf folgenden Stücken "Survival of the Outlaw"
und "Where Birds have never been", werden zwei echte Nackenbrecher vorgelegt, die mit unbändiger Wucht alles in Grund
und Boden stampfen. Trotzdem, weisen auch diese Songs gewisse Solefald typische Eigenheiten auf. Wird nämlich nicht
nur auf ungezügelte Aggression gesetzt, sondern klarer Gesang und klassische Passagen mit eingefügt und somit eine erhabene
Grundstimmung erschaffen. Nach einem kurzen Instrumental, wird mit dem verträumten und zutiefst romantischen
"White Frost Queen", dann das komplette Gegenteil zur vorhergehenden Raserei präsentiert. Nur um mit dem folgenden
"There is Need" noch wütender aus den Boxen zu donnern, wobei bei diesem Stück eine durchwegs bedrohliche Stimmung
aufgebaut wird, die sich aus dem Wechselspiel aus hartem und klarem Gesang ergibt. Und als ob es der Vielfalt nicht schon
genug wäre, wird bei dem mit sanften Violinenklängen unterlegten "Prayer of a Son" ein wunderschönes und melancholisches
Gedicht zum Besten gegeben. Doch dient dieses poetische Zwischenspiel nur als wohlüberlegte Verschnaufpause, da mit dem
wechselhaften, zwischen Ruhe und Wut pendelten "Crater of the Valkyries" das Tempo wieder angezogen wird. Mit
"Sea i Called" wird dann der letzte Song angestimmt, wobei der Singsang vom ersten Track hier nochmals Verwendung findet
und sich somit der musikalische Kreis schließt. Doch das Album selber endet nach diesem Song noch nicht, sonder es wird mit
"Lokasenna" nochmals ein Gedicht vorgetragen. Nur vom Rauchen der Meeresbrandung begleitet, wird ein vollständig
norwegischer Text rezitiert, bei dem es sich um ein Streitgespräch der Götter handelt. Schöner und bewegender kann man die
Raue Seele dieses Albums nicht einfangen, womit für einen würdigen Abschluss gesorgt wird.
Wie man meiner Kritik entnehmen kann, steckt "Red for Fire - An Icelandic Odyssey Part 1"
voller Details, die sich im Grunde nicht in einem Text erläutern lassen. Dieses Album ist ein komplexes Werk, das man sich nur
schwerlich nebenbei anhören kann, da ansonsten zu viele Facetten verloren gingen. Somit sollte man für dieses Werk einiges an
Zeit erübrigen, sich die nötige Muse gönnen und sich mit der Musik von Solefald auseinandersetzen. Und für alle, die
sich diese Zeit nehmen und zusätzlich über einen toleranten Musikgeschmack verfügen, wird sich dieses Werk als eine Perle
herausstellen, an der man lange seine Freude haben wird.