Slipknot „All Hope is gone“ / VÖ 22.08.2008

 

 

Was für eine Enttäuschung. Ist das alles? Das kann ich denen ihr Ernst sein! Am besten lösen sie sich auf, dann hat Corey auch mehr Zeit für Stone Sour. Ziemlich genau so sah meine Reaktion nach dem ersten Durchlauf von „All Hope is Gone“ aus. Vielleicht noch gefolgt von einem verbitterten „Der Albumtitel bringt es auf den Punkt“. Mittlerweile sind die meisten Wolken allerdings verzogen.

 

Denn auch wenn Slipknot es einem auf den ersten Eindruck alles andere als einfach machen: „All Hope is gone“ kann einiges. Sicher werden sich Kritiker auch dem vierten Album des Iowa-Neuners verweigern, egal was irgendwo geschrieben wird. Vielleicht wird zumindest eine Hand voll begrüßen, dass Corey Taylor mehr denn je auch auf klaren Gesang setzt, was – wenn man das Album als großes Ganzes betrachtet – dennoch nicht zu Lasten der Härte geht. Vielmehr platzieren Slipknot die stimmlichen Fähigkeiten ihres Frontmannes um einiges effektiver („Dead Memories“, „Psychosocial“ – Gassenhauer!), was die Band erstmalig annähernd an die musikalische Weite von dessen zweiter Truppe heranführt. Besonders deutlich wird dies bei der ersten richtigen Ballade der Bandgeschichte: „Snuff“. Diese Nummer hätte im Großen und Ganzen auch Stone Sour wunderbar zu Gesicht gestanden, wirkt für eine gemeinhin als Prügeltruppe verschriene Band wie Slipknot dafür aber umso ungewöhnlicher. Völlig überraschend ist eine derartige Nummer aber für viele Beobachter nicht auf „All Hope is gone“ aufgetaucht, denn neben Stone Sour hat Taylor auch auf der jüngst veröffentlichten Akustik-EP von Walls of Jericho bewiesen, dass er ein erstklassiger Songwriter und zudem ein Mann mit einem guten Händchen für ruhige Töne mit der nötigen Dramaturgie ist. Diese Fakten machen aus besagtem Stück musikalisch wie auch textlich einen Schmeichler für die aufgestellten Nackenhaare. Dafür ist mit „Gehanna“ allerdings auch ein durch und durch fades Stück Musik auf diesem Silberling zu finden, das mit seinem psychotischen Grundton zu keinem Zeitpunkt voll überzeugen kann und das mit dem aggressiveren „Wherein Lies continue“ zudem einen Bruder im Geiste hat, der ebenfalls gut gedacht, aber nicht konsequent zu Ende geführt wurde. Dahingegen ist „Vendetta“ mit seinen Gangshouts ein klassischer Live-Anwärter und der abschließende Titeltrack nach mehrmaligem Hören weitaus strukturierter als der fast schon Grind-artige erste Eindruck dieser Knüppelorgie. Warum man auf der limitierten Edition eine weitere Ausweidung von „Vermillion“ vom Vorgängeralbum platzieren musste, darf zumindest in Frage gestellt werden.

 

Fakt ist, dass „All Hope is gone“ eines dieser Alben ist, die eine gewisse Zeit brauchen um zu reifen. So wird sich ein Großteil der Fans erst einmal nur an 2-3 schnell zündende Nummern klammern, damit dieser Viertschlag nicht doch vorschnell in der Gunst der eigenen Ohren durchfällt. Wer die ersten Garstigkeiten dieses Albums jedoch übersteht, der könnte auf lange Sicht Freude an dieser Scheibe haben. Denn dieses Teil ist wirklich stark geworden – nur mag es dies nicht jedem Fremden gleich auf die Nase binden.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de / 08.09.2008