Sixx A.M. "Prayers for the Damned (Vol. 1)" / VÖ 29.04.2016

 

 

Gemessen am mächtigen Zweitwerk "This is gonna hurt" waren die Erwartungshaltungen an dessen Nachfolger enorm, möglicherweise sogar ein bisschen unfair. Dass Sixx A.M. sich dazu entschlossen, auf "Modern Vintage" dann auch noch kräftig am "Passt nicht, gibt's nicht"-Rad zu drehen, machte die Sache - zumindest für den Autor dieses Textes - nicht einfacher.

 

So wurde der dritte Streich von Nikki Sixx, James Michael und DJ Ashba zu einem zweischneidigen Schwert, irgendwo zwischen Schlamassel und doch irgendwie ganz geil. Ein bisschen schwierig machte es einem, dass das Trio irgendwie zu viel auf einmal wollte und manche Experimente für den subjektiven Geschmack auch einfach zu weit gingen. Andererseits enthielt die Scheibe Perlen wie "Stars" und "Gotta get it right", was viele Fans versöhnte, aber dennoch nicht für grenzenlose Euphorie sorgte. Nachdem Mötley Crüe nun Geschichte sind und DJ Ashbas Dienste bei Guns ´n´ Roses nicht mehr gebraucht werden, können sich jetzt alle Beteiligten voll und ganz auf ihr gar nicht mehr so neues Baby stürzen. Diese zeitliche Verschiebung zu Gunsten von Sixx A.M., verbunden mit gewissen Lehren aus dem letzten Album, haben wohl dazu geführt, dass "Prayers for the Damned" nicht mehr alles auf einmal sein muss, sondern man die Songs einfach sie selbst sein lässt. Stattdessen ist man dem kreativen Überschuss auf andere Weise Herr geworden und hat kurzerhand ein Doppelalbum ausgerufen, weshalb das vierte Album der Kalifornier den Zusatz "Vol. 1" verpasst bekommen hat. Den Nachfolger oder aber zweiten Teil, je nach Gusto, gibt es vermutlich schon im Herbst zu hören, nun erscheinen aber erst einmal die ersten elf Songs. Und die klingen nicht nur als Gesamtpaket wieder stimmiger, sondern haben auch in Sachen Hitdichte ganz klar die Nase vorn. Irgendwie scheint insgesamt mehr Zug drin zu sein, und der Drive ist ein anderer, egal ob nun wuchtiger Heavy Rock mit großem Sound kredenzt wird ("Can't stop") oder sich die erste Single "Rise" ins Gedächtnis groovt. Bisweilen verschmelzen manche Songs sogar zu einer Einheit, so wie der wohlig warme Rocker "Prayers for the Damned", der nicht nur ins Ohr geht und ins Herz trifft, sondern auch fließend in das ebenfalls ziemlich gute "Better Man" übergeht. Diese Powerballade wartet mit etwas weniger Bombast auf und rennt bei Fans, die schon "Oh My God" mochten, offene Türen ein. Mindestens genauso schnell verdreht einem "You have come to the right Place" den Kopf, das seine rockige Eingängigkeit mit dem emotionalen Gesang von James Michael kombiniert und sich schnell als eines der Highlights der Scheibe herauskristallisiert.

 

In dieser Form könnten Sixx A.M. möglicherweise sogar das nachhaltig beeindruckende "This is gonna hurt" übertroffen haben, was allerdings erst der Langzeittest zeigen wird. Auf jeden Fall hat das Trio, das sich aufgrund eines (endlich) prall gefüllten Tourplans, der im Sommer auch erstmals einige Shows in Europa vorsieht, mittlerweile einen festen Schlagzeuger ins Boot geholt hat, bei den Choruslines noch mal eine ganze Schippe Griffigkeit draufgepackt. Persönlich würde ich mich dazu hinreißen lassen zu sagen, dass "Prayers for the Damned (Vol. 1)" genau das Album ist, das ich mir in kühnstem Optimismus nach dem zu genüge gelobten "This is gonna hurt" gewünscht hätte. Umso mehr kann man sich freuen, dass die Herren Sixx, Ashba und Michael mit diesem uneingeschränkten Volltreffer ihre erste Welttournee in Angriff nehmen. Und das internationale Publikum damit möglicherweise im Sturm erobern werden.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de