Sirenia „The 13th Floor“ / VÖ 23.01.2009

 

 

Es gibt Monumente, die mit der Zeit bröckeln oder im schlimmsten Fall völlig ihren Glanz verlieren. Das gilt sowohl für große Namen wie Uns Ozzy, der als nuschelnder, sabbernder Tatterkreis zur Witzfigur der letzten MTV-Reality-Generation gemacht wurde (Danke Sharon), anstatt als Miterfinder des Metal auf seinen verdienten Lorbeeren zu ruhen. In deutlich kleinerem Maße hat Morten Veland sich daran wohl ein Beispiel genommen, denn was sich dieser Tage Sirenia schimpfen darf, ist musikalisch betrachtet nicht weniger als eine Bankrotterklärung.

 

Ja, vielleicht übertreibe ich maßlos und ja, ich neige hin und wieder zu bisweilen pathetischen Ansagen. Aber die akustische Frechheit, die uns der Norweger mit „The 13th Floor“ unterjubeln will, könnte fast schon zum lachen sein. Wenn, ja wenn die Sache nicht eigentlich so traurig wäre. Bisher habe ich mit dem Namen Sirenia noch immer die beiden Götterwerke „At Sixes and Sevens“ und „An Elixir for Existence“ verbunden; zweifellos zeitlose Werke und Klassiker der 2. Gothic Metal Generation. Doch damit hat die Band, die sich heute Sirenia schimpfen darf nur noch ungefähr soviel zu tun wie Jopi Heesters mit Breakdance. Anscheinend hat der gute Herr Veland irgendwo aufgeschnappt, dass man im Zweifelsfall lieber mal noch eine weitere Chorpassage einbaut, wenn das Songmaterial sonst schon nicht zu begeistern weiß. Mit dem Resultat, dass weite Strecken von „The 13th Floor“ klingen, als habe man sich versehentlich die unsäglichen Gregorian aus dem Regal gegriffen. Oder anders ausgedrückt: Wo die ersten beiden Alben noch klar den Sprit der unerreichten Tristania-Frühwerke atmeten und wie ein Musik gewordener Gothic Metal Vampir nach Aufmerksamkeit gierten, da haben wir es heute nur noch mit einem zahnlosen, ausgebrannten Schatten vergangener Tage zu tun. Dabei machen Sirenia für ihre neue Zielgruppe (Gothic-Teens) eigentlich so ziemlich alles richtig. Alle Songs sind zwischen drei und fünfeinhalb Minuten lang (um bloß niemanden zu überfordern?), enthalten haufenweise ultra-klebrige Keyboardflächen und sind nie zu hart geraten. Und sogar für mich gibt es auch minimale Lichtblicke, etwa in Form der Tatsache, dass Alleinherrscher Morten Veland wenigstens etwas häufiger als auf dem Vorgänger „Nine Destinies and a Downfall“ als Mikrofon tritt. Seine Grunts taugen nämlich nach wie vor, wohingegen jeder selbst beurteilen muss was er von den neuen Klargesängen des Norwegers hält („Sirens of the Seven Seas“). Allzu viel muss man darüber hinaus über die neue Leadstimme Ailyn denke ich nicht verlieren. Hier setzt sich klar der Abwärtstrend fort, der sich mit Monica Pedersen (die eigentlich auch mehr kann als Mr. Veland sie zeigen ließ) auf dem letzten Album schon aufdrängte. Die Spanierin ist zwar durchaus dazu in der Lage Töne zu treffen und zu halten, allerdings fehlt ihrem hauchdünnen Stimmchen etwas die Ausdrucksstärke und Durchschlagskraft, womit sie sich zwar trotzdem nicht wirklich verstecken muss, gegen die Konkurrentinnen ihres hart umkämpften Genres aber einfach gesagt so ziemlich überhaupt keine Chance hat. Wenn sich dann noch der unüberhörbare Dialekt der Südländerin regelmäßig bemerkbar macht („The Path to Decay“), zieht sich mir innerlich alles zusammen. Keiner erwartet Wunder wenn jemand nicht in seiner Muttersprache singt, aber falls dieses Mädel das Beste ist, was Sirenia an Bewerbungen ins Haus geflattert kam, dann gute Nacht. Auch eine Sabine Dünser hatte einen unüberhörbaren Dialekt, aber der hatte etwas absolut Charakteristisches, war das gewisse Etwas. Auf „The 13th Floor“ haben wir es hingegen mit vertonten Defiziten zu tun.

 

Ich sag es noch mal deutlich: Diejenigen Anhänger(innen), die Sirenia nur von „Nine Destinies“ kennen, können „The 13th Floor“ bedenkenlos erwerben und mit diesem für mich viel zu platten Stoff überaus glücklich werden. Als Fahrstuhlmusik oder für die nächste Bravo-Goth-Party ist dieses Album ebenfalls die perfekte Wahl. Für mich, der den einstigen Stern dieser Band schon seit der „Sirenian Shores“ EP und dem Ausstieg von Henritte Bordvik im Sturzflug sah, geht mit Langeisen 4 die Erkenntnis einher, dass wir über die Sirenia-Supernova mittlerweile schon hinaus sind. Der Neu-Fan wird’s mögen, der Alt-Fan hat, wenn er dieses Teil nach dem Erwerb und Konsum in den Media Markt zurückträgt und dem Verkäufer wutentbrannt vor den Kopf wirft vor allem eines: nämlich recht.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de / 21.01.2009

 

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Das kommt also dabei raus, wenn s2m Mastermind Markus Rutten einen schlechten Tag hat: Ein Zerriss zu einem Album, das zwar nicht wirklich gut, aber längst nicht so schlecht wie beschrieben ist.

 

"Nine Destinies and a Downfall" war eine Enttäuschung, mit dieser Meinung gehe ich mit Kollegen Rutten einher. Mal von 2 oder 3 halbwegs gelungenen Nummern abgesehen, hat Morten Veland mit diesem Album dem Bandnamen Sirenia mehr geschadet als genutzt. Trotzdem verkaufte sich "Nine Destinies and a Downfall" annehmbar, der harsche Kritiker würde gar sagen überraschend gut, was wohl auf die sehr kommerzielle Ausrichtung von "Nine Destinies and a Downfall" zurückzuführen ist. Jene ist beim aktuellen Werk zwar auch vorhanden, teilweise sogar noch stärker als auf "Nine Destinies and a Downfall", aber vermag "The 13th Floor" dennoch besser zu unterhalten als sein Vorgänger. Das liegt zum einen daran, dass Mr. Veland wieder ein wenig mehr härte in seinen Songs zulässt und im Vergleich zu "Nine Destinies and a Downfall" auch ein besseres Händchen in Sachen Songwriting an den Tag legt. Und wird man auf "The 13th Floor" definitiv mehr gelungene Songs als auf dem Vorgänger ausmachen können, was wiederum für eine gehobene Kurzweiligkeit sorgt. Was die gregorianischen Chöre anbelangt, deren vermehrter Einsatz ist doch grundsätzlich nur eine konsequente Weiterentwicklung innerhalb des musikalischen Stils, den Sirenia unterdessen pflegen. Darum möchte ich an dieser Stelle auch nicht darüber ablästern, genauso wie ich mir irgendwelche abwertenden Kommentare über die neue Sängerin verkneifen möchte, da sie trotz Akzent einen guten und hörenswerten Job abliefert. Einzig Richtung Morten Veland möchte ich noch loswerden, dass er sich tunlichst mal auf eine konstante Sängerin festlegen sollte, so bekommt Sirenia dann vielleicht auch mal so was ähnliches wie einen stimmlichen Charakter und Widererkennungswert.

The 13th Floor" bietet leichtverdaulichen Kaugummi-Goth, der weit hinter den beiden Erstlingswerken und dem vorherrschenden Genrestandart zurückbleibt, aber immer noch besser als die Songkost von "Nine Destinies and a Downfall ist.

 

Nando Rohner – www.sounds2move.de / 22.01.2009