Silver "Wolf Chasing Wolf" / VÖ 26.09.2008

 

 

Silver aus Norwegen sind auf ihrem neuen Album "Wolf Chasing Wolf" immer kurz vor dem Ausrasten. Sozialkritik wird in rauen Punk, Industrial und Rock'n'Roll der skandinavischen Sorte gepackt. Härter als Turbonegro, nicht so geglättet wie die runden Psychopunch und nicht auf freundliches Layout wie die Hellacopters schielend, preschen Silver ohne rechten Benimm qickfidel durch die Vip-Lounge, bedienen sich am Buffett, ohne Messer und Gabeln zu benutzen und polieren dem Hausherrn gerne die Fresse inmitten seiner Vereinsmatratzen. Das gefällt.

 

Mitgröhlkompatible Chorusse zu nett bewährtem Vier-Vierteltakt, untermalt von schnörkellosen Soli und Vocals, welche nicht selten an Endsiebziger-Punk erinnern, das lässt uns nostalgisch werden. Wann haben wir zum letzten Male einen Wagen der gehobenen Klasse durch Verwendung von Naturgewalten, z.B. Feuer, verschönert? Wann unserem Zorn auf der Straße durch das Bewerfen unseres Lieblingsabgeordneten mit Eiern oder Tomaten nachhaltig Ausdruck verliehen? Eben. Dafür sind Silver gut. Sie sind authentisch, staubig, improvisiert, unperfekt, sympathisch, weil auf der Seite der Outsider. Einfache Licks der auf die Glocke prügelnden Hardcore-Schule werden mit überraschenden Gimmicks wie der akustischen Introeinlage zum absoluten Klassesong "Norge Kneter" vermengt; auch die beinahe folkloristische Einlage in "Drenched In Comfort" lässt aufhorchen. Überraschend gut, dieses Gebräu, weil kompositorisch einfallsreich, variabel, überraschend; etwas, dass man nicht von vielen Punkbands behaupten kann. "The Judge" prescht, beinahe hymnisch geht es voran. Live müsste diese Band ähnlich gut sein wie ihre Genrekollegen von Mad Sin, welche ich auf dem Summer Breeze zu hören die Ehre hatte. Heavy Metal, Thrash, Rock, alles findet seinen Weg in das rebellische Liedgut. Die anolog wirkende Produktion passt. Der nölige, charismatisch intonierte Gesang, in welchem auf Ausdruck mehr Wert gelegt wird als auf trendy Layout, ist so spontan wie die sägenden Gitarren, welche sich nicht um die musikalischen Moden einschlägiger Fersehsender und das dazugehörige Marketing scheren.

 

Heute ist Rockmusik Ausdruck des gesellschaftlichen Mainstreams: in Silver findet das vergessene Rebellentum angemessene Worte (gelebt werden kann es heutzutage ja kaum mehr); immerhin ist jedoch überhaupt noch eine Antihaltung zu den herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen da. Und das ist gut so: es gibt tatsächlich noch echte Gegner des totalen Marktes.

 

ME – www.sounds2move.de / 28.10.2008