Scott Stapp "Proof of Life" / VÖ 31.01.2014

 

 

 

Er ist vor allem in den Staaten ein typischer Rockstar der Jahrtausendwende, hat unzählige Auszeichnungen im Schrank stehen und Aber-Millionen von Alben verkauft. Scott Stapp, mit Creed zu Weltruhm gekommen, ist aber auch eine dieser etwas tragischen Figuren des Musikgeschäfts, die immer wieder den Versuchungen und ihren inneren Dämonen erlegen sind - im vorliegenden Fall vor allem Teufel Alkohol. Auch deshalb zerbrach die Band 2004, hat sich zur Freude der Fans aber vor wenigen Jahren (mit einem geläuterten Stapp) zurück auf der Bildfläche gemeldet und mit "Full Circle" ein gutklassiges Album vorgelegt. Dass seine Kollegen mittlerweile mit Alter Bridge eine neue musikalische Priorität haben, wird vor allem dann für Stapp zum Thema, wenn bei der Kombo um Myles Kennedy Album und/oder Tour auf der Agenda stehen und Creed zurück ins zweite Glied rücken. Dass Gitarrenhexer Mark Tremonti inzwischen auch Soloambitionen hegt, macht die Sache für Stapp und Creed nicht einfacher. Nur logisch also, dass dieser nun mit "Proof of Life" eine zweite Soloscheibe vorlegt.

 

So nutzt der mittlerweile Vierzigjährige die freie Zeit also, um seinem Erstling "The great Divide" einen Nachfolger zu spendieren - satte acht Jahre nach dessen Veröffentlichung. Besonders spannend ist dabei der textliche Aspekt von "Proof of Life", denn Stapp verarbeitet auf seinem zweiten Album als Solokünstler vor allem die negativen, dunklen Facetten seiner bisherigen Biografie. Es ist der vielzitierte Seelenstrip, den der US-Amerikaner hier vollzieht und in Form von elf Stücken mit den Fans und der Öffentlichkeit teilt. Depressiven Moll-Overkill braucht natürlich niemand zu befürchten, schon eher mal vereinzelte Aggressivität ("Who am I") und natürlich eine Extraportion "Silberstreif am Horizont", was nicht nur wegen Stapps neu gewonnener Lebenslust nahe liegend ist, sondern auch ganz banal aus kommerziellen Gründen auf der Hand liegt. Der Mann ist und bleibt ein Rockstar, der vor allem davon zehren kann, ein möglichst breites Publikum zu bedienen. Demnach kann man ihm kaum übel nehmen, beispielsweise mit "Only One" astreinen Radio-Rock zu kredenzen, der nicht all zu hart, dafür aber leicht verträumt und vor allem eingängig ist. Noch ein bisschen mehr Zuckerguss hat nur "Break Out", eine lupenreine rockige Powerballade. Bevor alles zu viel wird, packt Scott Stapp sicherheitshalber einen netten Stampfer wie "Hit me more" aus, der gesanglich nicht all zu weit von Brent Smith (Shinedown) entfernt liegt. Mit "What would love do" gönnt sich der Sänger darüber hinaus auch noch einen schönen, emotionalen U2-Moment und wildert bei "Crash" ungeniert im Gehege von Theory of a Deadman. Das ist alles andere als mutig, aber unbestritten gut und mit sicherem Händchen gemacht. Keine Frage: "Proof of Life" funktioniert, geht ins Ohr und spielt gekonnt die Emotionskarte. Schade ist nur, dass die Platte unter dem Strich irgendwie zu brav ist und das Risiko gegen Null tendiert. Vielleicht ist da die etwas deplatziert wirkende Bibelhymne "Jesus was a Rockstar" noch am ehesten geeignet, um wenigstens für eine Winzigkeit Reibung und Kontroverse zu sorgen. Zumindest muss die Frage erlaubt sein, ob es auf einem (Radio-) Rockalbum angebracht ist, mit Textzeilen wie - Achtung Holzhammer-Rhetorik - "Father I have sinned a million times [...] So come on, bring Jesus back" den Bekehrer raushängen zu lassen. Aber für solche Fälle hat der liebe Gott im Zweifelsfall ja die "Skip"-Taste erfunden.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de