Saltatio Mortis "Zirkus Zeitgeist - Live aus der Großen Freiheit" (Blu-Ray Version) / VÖ 01.04.2016

 

 

Eines kann man den Spielleuten von Saltatio Mortis sicher nicht vorwerfen, nämlich dass sie aus ihrem aktuellen Album "Zirkus Zeitgeist" nicht alles herausgeholt hätten. Nach dem regulären Langspieler und der wenig später folgenden Akustik-Variante, kommt nun das Live-Album zur dazugehörigen Tour, aufgenommen letzten Herbst in der Großen Freiheit in Hamburg, St. Pauli.

 

Setlist-mäßig geben ganz klar das aktuelle Werk und dessen Vorgänger "Das Schwarze Einmaleins" den Ton an, was manchem Altfan missfallen könnte, aber der richtige Schritt ist, wenn man bedenkt, wie viele dieser Klassiker man bereits auf der DVD zum Zehn-jährigen veröffentlicht hat. Konsequent wie eh und je hat man erstmals die Hälfte (!) des Sets an neue Stücke vergeben, was im Vorfeld zwar eine gewisse Nervosität aufkommen lies, die sich dann durch die guten Reaktionen der Fans aber als unbegründet herausstellte. Mit dem Publikum in der Großen Freiheit haben Saltatio Mortis ebenfalls großes Glück, denn die Hanseaten sind mal so richtig in Feierlaune und machen wirklich jeden Spaß mit, hüpfen, singen und tanzen und initiieren sogar eigene Aktionen. Zusammen mit der hinlänglich bekannten unbändigen Spielfreude der Musiker kann die Sache eigentlich gar nicht schief gehen, und das tut sie auch nicht. Das Flair dieser schweißtreibenden Clubshow wird wunderbar eingefangen (selbstverständlich in HD und mit DTS Sound) und bildet einen netten Kontrast zum pompösen letzten Live-Dokument. Ein paar Showelemente gibt es natürlich trotzdem, schließlich gilt es sich an das Konzept des aktuellen Albums anzulehnen, das unter anderem durch das Zirkus-Intro bedient wird. Erwähnte Songs der letzten beiden Platten haben dabei durchaus das Zeug zum Klassiker von morgen, allen voran "Wir sind Papst", "Wachstum über alles", "Wo sind die Clowns" und "Geradeaus". Da wogen die Leiber schon mal euphorisiert im knüppelvollen Saal, während den Musikern das Grinsen wohl nur noch unter Androhung von Gewalt aus dem Gesicht zu vertreiben wäre. So viel gegenseitiger Anerkennung und guter Laune kann auch das ernste, unbequeme "Augen zu" nichts anhaben, das sich zum Glück nicht als Stimmungskiller entpuppt. Den emotionalen Höhepunkt im Set setzt "Erinnerungen", zu dem im Publikum sogar Tränen fließen. Zum "Trinklied" wird naturgemäß lieber angestoßen, bevor man als finalen 23. Song noch den "Spielmannsschwur" schwört. Wer mit nur vereinzelten alten Dauerbrennern ("Koma", "Tritt ein"...) ein solches Ausrufezeichen setzt, muss sich wohl keine Sorgen um die mittelfristige Zukunft machen. Zumal Saltatio Mortis auch hinter der Bühne viel Spaß haben, wovon die 25-minütige Backstage-Doku zeugt, welche die Truppe nicht nur in feuchtfröhlicher Runde zeigt, sondern auch Sänger Alea beim Thai-Chi einfängt oder Schlagzeuger Lasterbalk bei einer Busbegehung, in deren Verlauf er wissen lässt, dass eine kleine Zwischenstufe auf der Bustreppe zwischen 1. und 2. Geschoss der einzige Platz im gesamten Vehikel ist, an dem der hoch aufgeschossene Trommler aufrecht stehen kann. Außerdem plaudert Bassist Bruder Frank aus, dass man sich vor den Shows mit einem bunten Hitmix heiß macht (Queen, Backstreet Boys, Roxette...), während der heimliche Held des Filmchens El Silbador nicht nur amtlich eine emotionale Ansprache seines Frontmannes nach der Show photobombt (verschwitzt in Unterhose tanzend), sondern er auch pflichtbewusst über sein angebliches Abstinenzgetränk referiert ("2 Finger Wasser mit Wasser, dazu ein Eiswürfel"). Was "Live aus der Großen Freiheit" zu so einer stimmigen und passenden Angelegenheit für Saltio Mortis macht, bringt hingegen Sackpfeifenspieler Luzi auf den Punkt: "Die Große Freiheit ist geschichtsträchtig, vielleicht ein bisschen räudig, aber sie hat ihren Charme - genau wie wir".

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de