Roine Stolt "Wall Street Voodoo" - Plattenkritik / VÖ 11.11.2005

Teilweise beschleicht einen schon das Gefühl, dass gewisse Musiker die Kreativität zum Frühstück, zum Mittagessen, zum Abendessen und auch so zwischendurch als Grundnahrungsmittel aufnehmen. Anders lässt es sich nicht erklären, dass es Musiker gibt die in gar kurzer Zeit ein anspruchsvolles Album nach dem anderen auf den Markt bringen und dabei Qualitativ erstaunlich konstant bleiben. So auch Flower Kings Sänger und Gitarrist Roine Stolt, der vor kurzem mit dem neuen Kaipa Werk in aller Munde war und nun mit "Wall Street Voodoo", seinen neusten Solostreich präsentiert.

Als eine Reminiszenz an den blusigen Rock der 60er und 70er. So möchte Roine Stolt sein neustes Baby verstanden haben, da er laut eigener Aussage diese Ära bis heute über alle Massen schätzt. So verbeugt er sich vor Künstlern wie Frank Zappa, Jimi Hendrix, Cream oder auch The Grateful, wobei seine Huldigung ganze zwei CDs in Anspruch nimmt. Dabei setzt Mr. Stolt nicht nur auf seine eigenen stimmlichen Fähigkeiten, sondern verpflichtet noch Neal Morse (der im Moment mit seinem "?" von sich reden macht) für den einen oder anderen Gesangsbeitrag. Zusätzlich konnte er für die Schlagzeugarbeit, sowohl den aktuellen Flower Kings Drummer Marcus Liliequist, wie auch seinen Vorgänger Hasse Bruniusson gewinnen. Aber auch die restlichen Musiker, die sich allesamt hinter Pseudonymen verstecken, gehören hörbar zur Königsklasse der Szene. Und somit ist höchste musikalische Qualität garantiert, da bei solch einem Team an Könnern gar nichts Schlechtes entstehen kann. Vielmehr sind die Songstrukturen durchgehend Anspruchsvoll gehalten, wird der schon erwähnte blusige Rock, mit psychedelischen und progressiven Elementen angereichert. Im Allgemeinen sind die Stücke so mit Melodien und Einfällen voll gestopft, dass man viele Details beim ersten Hördurchgang gar nicht erst heraushören wird. Auch driften viele Songs wie z.B. "It's all about the Money" oder das rockige "Hotrod (The Atomic Wrestler)", in ausufernde Jamsessionen ab, bei denen Improvisation großgeschriebenen wird. Dadurch entsteht eine lockere und entspannte Grundstimmung, die konstant über das ganze Album hinweg erhalten bleibt und im Grunde sehr gut zu Unterhalten vermag. Dennoch sollte man dieses Album nicht unterschätzen, da es sich bei "Wall Street Voodoo" keinesfalls um leichtverdauliche Kost handelt. So fordert jeder Song die komplette Aufmerksamkeit des Hörers, wie auch ein Gesundes Maß an Geduld. Vor allem wenn man bedenkt, dass sich teilweise eine gewisse Langatmigkeit breit macht und man auf dem ganzen Album keinen wirklich eingängigen Song vorfindet. Somit könnte es durchaus vorkommen, dass gewisse Hörer sich eher überfordert, als unterhaltend vorkommen und verständlicherweise das Album gelangweilt aus dem CD-Player verbannen.

"Wall Street Voodoo" ist ein musikalisches Topprodukt, dass steht außer Frage. Doch leider wurde hier keine Rücksicht auf die gewöhnliche Masse der Hörerschaft genommen, sondern der musikalische Anspruch gnadenlos auf die Spitze getrieben. Somit werden Einsteiger wohl ihre liebe Müh und Not mit diesem Album haben, während die Kenner Materie in einen Wahren Freudentaumel verfallen werden. Dennoch bekommt man als Käufer hier einiges für sein Geld geboten, da beide CDs bis aufs letzte mit Musik voll gestopft sind. Und somit könnte dieses Album eine Kaufempfehlung für jeden erfahrenen Fan sein, während alle anderen sich vielleicht eher leichterer Kost zuwenden sollten.

Nando Rohner – www.sounds2move.de/ / 09.11.2005