Richie Sambora „Aftermath of the Lowdown“ / VÖ 21.09.2012

 

 

 

Man könnte meinen, Richie Sambora hätte hellseherische Fähigkeiten. Die Hitsingle seines letzten Albums „Undiscovered Soul“ hieß nämlich „Hard Times come easy“ und erscheint rückblickend wie eine Vorhersage auf das, was den Gitarristen und Sänger einige Jahre später ereilen sollte. Die Ehe mit Schauspielerin Heather Locklear ging zu Bruch, ebenso die Beziehung zu deren Kollegin Denise Richards. Ungefähr zur gleichen Zeit starb dann noch Samboras Vater an Krebs, und es folgten mehrere Entzüge wegen Alkohol- und Drogenproblemen, die teilweise sogar verhinderten, dass der Musiker mit seiner Band Bon Jovi auf Tour gehen konnte.

 

In dem Zusammenhang scheint auch der Titel seines neuen Longplayers „Aftermath of the Lowdown“ durchaus Sinn zu machen. Der Mann hat genug erlebt, um daraus mit Hilfe seiner gottgegebenen Fähigkeiten als Musiker einige feine Songs zaubern zu können. Dass es der erste Alleingang seit 14 (!) Jahren ist, lässt ebenfalls hoffen, dass wir hier keine halbherzige Kost aufgetischt bekommen. Und so ist es dann auch, wobei Sambora uns direkt mit einer dicken Überraschung erwartet: „Burn that Candle down“. Verzerrte Vocals, pumpender Groove zwischen Chilli Peppers und gut abgehangenem Alternative Rock – damit dürften die Wenigsten gerechnet haben. Die folgenden Songs klingen da schon deutlich mehr nach der bekannten und erfolgreichen Handschrift des gereiften Frauenschwarms. Stets unüberhörbar amerikanisch angehaucht, mal mit etwas mehr Southern Rock angereichert („Taking a Chance on the Wind“), mal auf den power-balladesken Spuren seines Hauptbrötchengebers („Seven Years gone“) oder auch mal mit nicht weniger massentauglichen Radio-Rockern im Foo Fighters-Dunstkreis („Nowadays“). Zwischendurch gibt es Lebensweisheiten aus über 30 Jahren Rock ´n´ Roll („Shots of Booze and Sex is all we need“ – aus „Weathering the Storm“), viel geschmackvolle Gitarrenarbeit und die eine oder andere feine Melodie auf die Ohren. Die Krux an der Sache: Richie Sambora geht es mit „Aftermath of the Lowdown“ wie so vielen Rockgrößen auf Solopfaden. Die Platte ist viel zu gut komponiert und produziert, um als langweilig oder gar schlecht hingestellt zu werden, angesichts (zu) großer Erwartungen aber dann doch ein ganzes Stück hinter den Großtaten der Hauptband einzuordnen. Das ist schade, aber im Grunde viel mehr das Problem des auf Wunder wartenden Fans, als das des Künstlers, der sich, wenn man es recht bedenkt, rein gar nichts hat zu schulden kommen lassen. Er, der finanziell  - Achtung Bon Jovi-Wortspiel – auf Rosen gebettet ist, hat uns ein ehrliches und überraschend positives Album ausgehändigt, das kommerziell kein Blockbuster werden muss, um den ausführenden Künstler zufrieden zu stellen. Der ist nämlich einfach nur froh, nach all den Jahren mal wieder sein eigenes Ding drehen zu können und dabei die Geschehnisse der letzten knapp zehn Jahre zu verarbeiten. Dass diese Selbstreinigung auch dem Hörer einige schöne Stunden bereiten kann, ist natürlich ein angenehmer Nebeneffekt.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de