R.E.M. "Unplugged 1991/2001 - The Complete Sessions" / VÖ 23.05.2014

 

 

Der leidenschaftliche Musikfan an sich kann ja bisweilen schon zum Vollständigkeitsfanatiker mutieren, quasi der Steigerungsform des Jägers und Sammlers. Gut, in Zeiten von YouTube, Streamingportalen und Downloadplattformen gehören die klassischen Plattensammler eher zur aussterbenden Art, und auch die Neuveröffentlichung der beiden "MTV Unplugged"-Konzerte von R.E.M. wird es nach dem Erst-Release als LP zum "Record Store Day" in den USA selbstverständlich auch als mp3 geben. Der Weg, den das Material nimmt, dürfte unserem geneigten "Freund der Komplettität" dann zumindest ein bisschen egal sein, immerhin erscheinen die beiden Konzerte jetzt nicht nur in gesammelter Form, sondern auch in ihrer vollen Länge, das heißt ungeschnitten und mit allen Bonustracks, die bei den vorher verfügbar gemachten Ausstrahlungen noch der Schere zum Opfer gefallen sind.

 

Das sind immerhin fünf Songs (CD 1) bzw. deren sechs (CD 2), also ein Gegenwert, der dieses Teil durchaus verführerisch macht. Wer sich wundert, dass diese Band, die stets auf der Schwelle zwischen Pop und Rock gewandelt ist, für dieses euer Lieblingsmedium überhaupt relevant ist, dem sei nahe gelegt sich nicht nur von den im Radio bekannten Singles der Alternative Rocker blenden zu lassen. Und selbst die Mainstream-Hits des Trios haben ihre Kreise bis in deutlich härtere Gefilde gezogen - so wurde etwa "Losing my Religion" bereits unter anderem von Graveworm und Lacuna Coil gecovert. Noch größer war die Verehrung seitens der Grunge Legende Kurt Cobain, der nicht nur ein riesiger Fan der Band und besonders von Michael Stipe und seiner Art zu singen war, sondern diesen auch als Freund und Vorbild erachtete. R.E.M.´s 92er Album "Automatic for the People" hätte als Blaupause für das nächste Nirvana-Album dienen sollen, hätte Cobain gemeinsame Arbeiten mit Stipe am dazugehörigen Demo nicht kurzfristig abgesagt und sich wenig später das Leben genommen. Zu diesem Zeitpunkt waren die beiden Musiker bereits ziemlich beste Freunde und Stipe sogar Patenonkel von Cobains gemeinsamer Tochter mit Rock-Skandalnudel Courtney Love Frances Bean. Doch Geschichtsstunde beiseite, denn auch über diesen Unplugged-Doppelschlag gibt es genug zu erzählen, etwa die Tatsache, dass einige echte Klassiker hier in neuem Glanz erstrahlen, etwa das großartige "It's the End of the World as we know it (and I feel fine)", das nicht minder bekannte "All the Way to Reno" oder "Imitation of Life". Besonders gespannt sind die Fans natürlich auf die ungehörten Schätzchen, darunter vor allem nicht ganz so bekannte Songs und Singles wie "Get up" oder "I'll take the Rain", das 2001 in einer tollen Version aufgenommen wurde. Natürlich steht und fällt "Unplugged 1991/2001" mehr noch als die Studioalben mit der Stimme des charismatischen Frontmannes, der jedoch keinerlei Anstalten macht, sich irgendwelche Blößen zu geben (ähnlich wie bereits erwähnter Kurt Cobain bei dem vielleicht legendärsten aller MTV Unplugged-Konzerte). Nichts zu schulden kommen lässt man sich auch bei der Setlist der beiden Shows, denn der Überhit "Losing my Religion" bleibt die einzige Überschneidung unter den über 30 Songs. Mau fällt einzig und allein das Booklet dieser Doppel-CD aus, das neben nüchternen Song-Credits nichts zu bieten hat. Hier wären ein paar Fotos oder Linernotes wünschenswert gewesen. Den Fans wird es himmelweit am Allerwertesten vorbei gehen, denn diese beiden Konzerte erscheinen hier nicht nur erstmalig in voller Länge, sondern überhaupt zum ersten Mal im reinen Audioformat. Besser spät als nie.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de