Raunchy "Vices.Virtues.Visions" / VÖ 21.11.2014

 

 

 

Raunchy haben ein neues Album am Start, immerhin bereits der sechste Streich in der Geschichte der Dänen, die man gewissermaßen als Truppe aus der Speerspitze in der zweiten Reihe des Modern Metal bezeichnen kann. Trotz einer Vielzahl an geilen Songs und stets überdurchschnittlichen Alben, hat es nie zum ganz großen Wurf gereicht. Damit hat sich das Sextett längst arrangiert, und so haben sie auch einen gewissen Vorteil gegenüber der mitunter auch ein bisschen zu verbissenen Konkurrenz. Denn alle Musiker gehen geregelten Jobs nach (was den ehemaligen Frontmann Kasper Thomsen nach fast zehn Jahren zu seinem Ausstieg nötigte, da er seine Brötchen als Architekt verdient) und müssen nicht auf Teufel komm raus mehrmonatige Tourneen abreißen, sondern man macht einfach das worauf man Lust hat und was schlichtweg der eigene Urlaubsplan zulässt.

 

Was nicht gleichbedeutend damit ist, dass Raunchy sich hängen oder die Qualität und die Ambitionen ihrer Musik schleifen lassen. Denn auch wenn man vielleicht nicht den Status einer Band wie Soilwork hat, ist das noch lange kein Grund, die Beine hoch zu legen oder auf kreativer Sparflamme zu kochen. Auch beim Sound gibt es keine Kompromisse, und so hat man sich einmal mehr in die kompetenten Hände von Jacob Hansen begeben, der auch Bands wie Volbeat, Mercenary und Amaranthe mehrfach zu einem tadellosen, fetten Sound verholfen hat. Mit elf Songs und über einer Stunde Spielzeit bekommt man eine ganze Menge Musik präsentiert, weshalb "Vices.Virtues.Visons" ein ganz schönes Pfund ist, in das man sich erst einmal hineinarbeiten muss. Vielleicht haben es Raunchy auch deshalb nie ganz nach oben geschafft, weil sie nie eine Band waren, die nur mundgerechte Dreieinhalbminüter schreibt. Im Gegenteil ist diesmal wieder fast die Hälfte der Songs jenseits der Sechs- bzw. sogar Siebenminutenmarke. Das nimmt Stücken wie "Anesthesia Throne" zwar sicher nicht generell ihre Eingängigkeit, verwässert sie aber zu einem gewissen Teil. Dadurch läuft das Album nicht ganz so süffig rein wie die Scheiben der schwedischen Kollegen Amaranthe, hat aber dennoch einige Trümpfe in der Hand. Etwa den Umstand, dass die Dänen bisweilen ein ganz schönes Brett zimmern und ordentlich geblastet und geshreddert wird, dabei aber stets genug Gusto, Keys und Harmonien mitgeliefert werden, dass man nie das Gefühl bekommt, Raunchy wären nur hart der Härte wegen. Und auch abwechslungsreich ist "Vices.Virtues.Visions" geworden, was spätestens mit dem zweiten oder dritten Durchlauf deutlich wird. Da wären die düster-majestätischen Keyboardteppiche von "Never enough", ein gewisses In Flames-Flair bei "Clarity" oder der flotte Volbeat-Groove von "Luxuria". "The Castaway Crown" hat neben einem sehr eingängigen Chorus vor allem viel Tempo und gut in Szene gesetzte Synthesizer zu bieten, sodass man eine Wortschöpfung wie "Modern Electro Thrash Metal" als adäquate Umschreibung durchgehen lassen würde. Erfreulich ist, dass sich die Dänen immer darauf verstanden haben, all diese verschiedenen Elemente in stimmigen Alben zu bündeln. Das gelingt mit Neu-Sänger Mike Semesky ebenso gut wie mit dessen Vorgänger, selbst wenn dessen Stimme vielleicht noch einen Tick charismatischer war. Aber hier meckern wir weiß Gott auf sehr hohem Niveau.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de