Queensryche "Queensryche" / VÖ 21.06.2013
Unsäglich.
Unsäglich war das, was im vergangenen Jahr bei Queensryche abgegangen
ist. Oder besser gesagt über Jahre abging und sich 2012 endgültig
entladen hat. Man kann und muss leider von einer öffentlichen
Schlammschlacht sprechen, die zwischen Egozentriker Geoff Tate und dem
Rest seiner Kollegen ausgefochten wurde, mit dem Ergebnis, dass nun
jeder sein eigenes Ding macht. Während allerdings Tates erster Erguss
nach dem großen Knall noch viel Luft nach oben lässt, haben viele Fans
- die sich ohnehin zu großen Teilen auf die Seite von Michael Wilton
und Co. geschlagen haben - deutlich größere Hoffnung auf die nun
vorliegende Platte gelegt.
Selbstbetitelte Alben sind zwar längst ein abgegriffener Hut, aber
selten war der Zeitpunkt ein solches zu veröffentlichen passender. Mit
ihrem neuen Frontmann Todd La Torre (Crimson Glory) und "Queensryche"
im Gepäck, wollen die Amis jetzt wieder voll angreifen,
Wiedergutmachung betreiben, mit frischem Wind in den Segeln auf zu
neuen Ufern. Was grundsätzlich alles lobenswert ist und mit diesem
Album sogar ziemlich sicher gelingen wird. Verantwortlich dafür ist
weder medialer Dreckwurf, noch reißerische Schlagzeilen, sondern
schlichtweg gute Songs. Davon finden sich einige unter den elf neuen
Stücken (davon ein Intro und ein Interlude): "In this Light" ist so ein
Kandidat, der stimmungsvoll die Seele umschmeichelt und unaufgeregt im
Midtempo vorüberzieht wie eine schöne Landschaft während einer
Zugfahrt. Bei "A World without" wird es etwas schwerfälliger, die
Ballade schiebt sich überaus gemächlich vorwärts, überzeugt quasi
nebenher aber mit sehr dezentem Bombast. Deutlich zackiger, sprich
härter gestaltet sich da schon "Don't look back", eine recht typische
Queensryche-Nummer, die stimmlich La Torres Vorgänger und
Avantasia-Chef Tobi Sammet zusammenbringt. Trotzdem sind es vor allem
die gefühlvollen, stimmungsvollen Momente, die auf "Queensryche"
richtig gut kommen. Einen letzten Beweis tritt diesbezüglich der
Rausschmeißer (oder sollte man lieber "Rausschmeichler" sagen?) "Open
Road" an, der wie dieses ganze Album ganz wunderbar zu einer
nächtlichen Autobahnfahrt passt. Dazu trägt sicher auch die Tatsache
bei, dass Queensryche zwar unbestritten anspruchsvoll zu Werke gehen,
sie aber zu keinem Zeitpunkt verkopft agieren oder sich zu all zu
großer Selbstbeweihräucherung (Gruß an die Kollegen aus NYC) hinreißen
lassen. Kein einziges Stück überschreitet die 5-Minuten-Marke, was für
eine progressive Band zwar eher ungewöhnlich ist, dem luftigen,
unverkrampften Eindruck von "Queensryche" aber ebenso wie die klare
Produktion mehr als zuträglich ist. Irgendwie wirken die Herren aus
Washington geradezu befreit und erleichtert auf ihrem neuen Longplayer.
Ich will hier gar kein weiteres Öl ins Feuer gießen, sondern einfach
die Fakten und Eindrücke aufzählen, aber wer Eins und Eins
zusammenzählt kann sich denken, wer vom großen Knall 2012 am meisten
profitiert hat. Nicht zuletzt natürlich auch die Fans, wenn Queensryche
diese zurück gewonnene Spielfreude auch auf die Bühne bringen.
Markus Rutten - www.sounds2move.de