Queen "A Night at the Odeon" / VÖ 20.11.2015

 

 

 

Der Fundus und die Archive von Queen dürften einer kleinen Bibliothek gleich kommen. Unzählige Auftritte zu verschiedensten Anlässen und an unterschiedlichsten Orten: Hinter dem eisernen Vorhang oder im altehrwürdigen Wembley Stadion, sogar mehrfach - darunter eine legendäre Viertelstunde im Rahmen von Live Aid, als Freddie Mercury und Co. allen anderen Rock- und Pop-Größen des Planeten mit ihrer Darbietung die Show stahlen. Die Mutter aller TV-Konzerte Ihrer Majestät ist allerdings ein Weihnachtskonzert, live ausgestrahlt in britische Haushalte vor genau 40 Jahren.

 

Diese Show erscheint jetzt erstmals als komplettes Konzert auf CD, DVD und Blu-ray. Zum ersten Mal überhaupt wird dabei auch die zweite Zugabe für jedermann zugänglich gemacht (leider nur auf CD), die seinerzeit im Londoner Odeon erst nach Übertragungsende der BBC dem Publikum in der Halle präsentiert wurde. Dazu zählt das heute unter Fans noch sehr populäre "Seven Seas of Rhye", dazu "See what a Fool I've been" und das obligatorische "God save the Queen". Im regulären Set finden sich dem Jahrgang der Show entsprechend Stücke aus der früheren Schaffensphase, darunter "The March of the black Queen", "Son and Daughter" und eine energische Version von "Keep yourself alive". Auch für das durchaus progressive "Ogre Battle" war damals noch regelmäßig ein Platz in der Setlist reserviert, wohingegen "Bohemian Rhapsody" und "Killer Queen" jeweils nur angespielt, dafür aber zu einem großen Stück zusammengefasst wurden. Auf der optischen Seite dreht sich selbstredend alles um Freddie Mercury, den Godfather aller Rock-Entertainer. Dieser wechselt während der Show vom weißen Spandex-Ganzkörperanzug mit Bolero zu schwarzem Nieten-Spandex, ausgeschnitten bis unter den Bauchnabel, und weiter zu einigermaßen gewagten Hotpants, zu denen er sich auch gleich jegliches Schuhwerk spart. Wer kann, der kann. So ganz überlassen die restlichen Bandmitglieder ihrem Sänger dann doch nicht die Bühne: So bestreitet Drummer Roger Taylor die Zugabe mit einer knallbunten Clownsperücke, Brian May erscheint ganz in Schwarz mit endlos langem, schneeweißem Schal, wohingegen es beim sowieso eher zurückhaltenden, im Hintergrund agierenden John Deacon ein komplett in Gold gehaltenes Basecap tun muss. Für die nötige Extravaganz der Show sorgen zuerst einige Pyro-Effekte, bevor nach dem regulären Set ein Regen aus Konfetti, Luftballons, Seifenblasen und aufblasbaren Sexpuppen (!) auf die Zuschauer herabregnen. Nicht besonders weihnachtlich, aber in jedem Fall eine kreative Showeinlage. Auf der Blu-ray, respektive DVD ist neben dem Konzert (ohne erwähnte zweite Zugabe, leider) noch ein aktuelles Interview mit May und Taylor zu finden, die gemeinsam mit Journalist Bob Harris, der die Band bei besagtem Konzert im glamourösen silbernen Anzug samt Zylinder ansagte (70s, Baby!), auf jenen Abend zurückblicken. So erfährt man von den in sich ruhenden Rock-Giganten mit dem gütigen, großväterlichen Lächeln die eine oder andere Anekdote, etwa von den vollkommen unterschätzten Fähigkeiten Mercurys am Piano und dessen eigenwilliger Handhaltung, die wohl jeden klassischen Klavierlehrer hätte resignieren lassen. Auch ein kurzer Exkurs ins damalige geschäftliche Umfeld der Engländer wird geboten, in dem May davon erzählt, wie man sich seinerzeit wunderte, dass die Leute vom Management sich Pools in den Garten bauten und einen Rolls-Royce leisten konnten, während die Musiker selbst trotz Chart-Alben und Single-Hits ein bescheidenes Leben führten und sich notgedrungen mit Bussen und Tube in London von A nach B bewegen mussten. Ein Phänomen, das wohl so alt ist wie das Musikgeschäft selbst.

 

Ob ein weiterer Live-Mitschnitt von Queen nun überlebenswichtig war oder nicht, sei dahingestellt. Zumindest aber wird dem geneigten Fan nicht erst seit gestern ein Füllhorn an Konzertfilmen angeboten, aus denen er sich seine Rosinen herauspicken kann. Falsch macht man als Anhänger mit dieser Show aus dem legendären, noch heute in Betrieb befindlichen Hammersmith Odeon im Westen Londons nichts. An Ausstrahlung hat der 40 Jahre alte Auftritt jedenfalls nichts eingebüßt, selbst wenn die partiell überarbeiteten Bilder natürlich in erster Linie Retro-Charme versprühen.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de