Paradise Lost „Tragic Idol“ / VÖ 20.04.2012

 

 

 

Paradise Lost haben den Gralshüter in sich entdeckt. Bereits seit mehreren Alben kehren die Engländer mehr und mehr zum klassischen Gothic Metal zurück, steigern Stück für Stück sowohl die Härte als auch den Doom-Faktor und entfernen sich gleichzeitig von zu kommerziellen Pfaden und allzu klebrigen Keyboards. Anders ausgedrückt: So viel mehr Metal als Gothic gab es bei Paradise Lost lange nicht.

Die Entwicklung der letzten Alben erreicht also ihren vorläufigen Höhepunkt. Dass Greg Mackintoshs Death Metal Projekt Vallenfyre abgefärbt haben könnte, muss dennoch verneint werden. Ganz so extrem wird es dann doch nicht. Schwer, bedrohlich und herb aber allemal, was abermals vor allem Fans älteren Semesters mit Wohlwollen quittieren werden. Allein schon die Stimme von Anti-tainer Nick Holmes kann als Indikator für die neu entfachte Liebe zum harten, walzenden Riff herhalten. Der Sänger klingt nämlich durchgängig rau, bellt seine Vocals teilweise regelrecht ins Mikrofon („Solitary One“) und wird auch sonst nur dann hymnisch, wenn es auch wirklich sein muss. Durch so manchen doomigen Moment wandern hier und da die Melodien fast zwangsläufig etwas in den Hintergrund und entwickeln somit eher unterschwellig ihren Charme. Das hat zur Folge, dass „Tragic Idol“ besonders bei den ersten Durchläufen wie ein sperriger Brocken wirkt, den man erst nach und nach richtig zu fassen bekommt. Eine Ausnahme bildet „Theories from another World“. Hier geben Paradise Lost richtig Gas und überraschen mit einem messerscharfen Brecher, einem Ausbruch und Gegenpol zum Doom Metal, der ansonsten wenig Raum für agile Spielfreunde lässt. Das ist unter Umständen der einzige kleine Vorwurf, den sich die Briten gefallen lassen müssen, nämlich dass sie natürlich abgeklärt und souverän ihre Zielgruppe bedienen, dies aber womöglich etwas zu abgeklärt machen und sich ein wirklicher Aha-Effekt deshalb nicht so recht einstellen mag. Nach bald 25 Jahren im Geschäft ist das allerdings auch keine Schande.

Markus Rutten - www.sounds2move.de