Pain of Salvation "Road Salt One" / VÖ 15.05.2010

 

 

Eigentlich kann man ja schon seit "Be" und besonders seit "Scarsick" schon gar nicht mehr von "typischen" oder "untypischen" Pain-Of-Salvation-Alben sprechen, denn dafür ist die stilistische Bandbreite, die Daniel Gildenlöw und seine Jungs auf ihren jüngeren Releases abgedeckt haben, einfach zu groß. Dennoch dürfte selbst der geneigte Fan, der aufgrund der Experimentierfreude der Schweden sicherlich schon weitere Brüche mit dem auf "The Perfect Element Part I" und "Remedy Lane" perfektionierten Prog-Metal-Stil erwartet hat, von der Radikalität "Road Salts" überrascht sein. Oder auch nicht, denn die voraus gegangene "Linoleum"-EP hat zumindest schon zum Teil auf das vorbereitet, was nun eingetreten ist: Die Produktion des Albums ist betont retro gehalten, der sehr trockene Drumsound und die meist nur leicht verzerrten, kaum mit Effekten bearbeiteten Gitarren begegnen einem ebenso auf den meisten Songs wie E-Piano und Hammond-Orgel. Dementsprechend setzt man auch musikalisch wenig auf krumme Takte und Frickeleien, sondern weitestgehend auf direkte und verhältnismäßig (aber nicht völlig!) schnörkellose Lieder mit teils erheblichem Bluesrock-Einschlag. Auch wenn hinsichtlich der Produktion Bigelfs "Cheat The Gallows" kürzlich gezeigt hat, wie man den Retro-Klang auch satter hinbekommt, als dies auf "Road Salt" der Fall ist (womit ausdrücklich keine musikalischen Vergleiche gezogen werden sollen), geht dieses kompromisslose Konzept bei Stücken wie "Where It Hurts", "Innocence", "Darkness Of Mine", dem Titeltrack oder dem schon von der EP bekannten "Linoleum" sehr gut auf und verleiht den Songs einen eigenen, durchaus erfrischenden Touch.

 

Auf der anderen Seite stehen Lieder, die, blendet man Gildenlöws charakteristische Stimme aus, gelungene, aber dennoch sehr austauschbare Rock-Nummern darstellen ("Tell Me You Don't Know", "Curiosity"). Auch wenn dies vielleicht das prägende Element von "Road Salt" ist, tragen dennoch nicht alle Songs das Gewand der 70er. Mit "Sisters", dem meines Erachtens stärksten Track des Albums, hat Gildenlöw ein an das Meisterwerk "Undertow" (von Remedy Lane) erinnerndes emotionales Schwergewicht mit auf "Road Salt" gehievt, das, selbst wenn man für den Classic-Rock-Teil des Albums unempfänglich sein sollte, das Geld für die Anschaffung der CD schon fast alleine wert ist. Auf einer sich häufig wiederholenden, eindringlichen Melodie basierend kann Daniel hier seine erstaunlichen Fähigkeiten des gesanglichen Gefühlsausdrucks voll ausschöpfen, beginnt nachdenklich und steigert sich bis in eine kurze Episode aufgewühlter Rage, nur um dann taumelnd zurück in die Vernunft zu finden. Die Verbindung von märchenhaften Harmonien und pathetischen Arrangements mit einem klar formulierten Text, der eine gar nicht besonders abseitige, sondern vielmehr zutiefst menschliche und nachvollziehbare, beinah alltägliche Geschichte erzählt, zeigt wieder einmal eindrucksvoll auf, dass Pain Of Salvation dann am Stärksten sind, wenn sie die Magie und die Tragik des Gewöhnlichen blanklegen und die kleinen inneren Kämpfe des Einzelnen den großen Schlachten der Menschheitsgeschichte gleich stellen. Eine andere Ausnahme vom Grundkonzept bildet "Sleeping Under The Stars", ein weiteres Highlight, das ohne Gitarrren auskommt, dafür aber mit diversen anderen Instrumenten (u.a. Balalaika) orchestriert wurde und mit teils volkstümlicher, teils zirkushafter Atmosphäre überrascht.

 

Wer nun ein Fazit erwartet, wird leider enttäuscht werden: "Road Salt" ist anders, kompromisslos und wird nicht jedem in jeder Hinsicht gefallen. Es bleibt also nur die dringende Empfehlung, reinzuhören und sich selbst ein Urteil zu bilden.

 

Florian Gothe – www.sounds2move.de / 16.05.2010