Ozzy Osbourne „God bless Ozzy Osbourne“ DVD / VÖ 11.11.2011

 

 

Diese DVD war mehr als überfällig. Viel zu lange haben sich verpickelte Mädchen über den „fucking Prince of Darkness“ lustig gemacht, den sie nur von seiner grenzdebilen MTV-Serie her kennen. Klar, auf den ersten Blick war es vielleicht lustig, diesem verwirrten alten Mann zuzusehen, wie er zitternd, sabbernd und nuschelnd durch seine Villa in Los Angeles stolpert und an den einfachsten Dingen des Alltags fast schon kläglich scheitert. Dabei kam besagte Serie seinerzeit zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt: Als Sharon Osbourne Krebs diagnostiziert wurde, erlebte Ozzy den schlimmsten Absturz seit langem, war quasi ununterbrochen zugedröhnt und selten Herr seiner Sinne. Daraus resultierte, dass der Madman sich an die meisten Drehtage heute überhaupt nicht mehr erinnert. „The Osbournes“ war also nicht die oberflächliche Komödie, sondern eine von Grund auf traurige Tragödie, in deren Verlauf es sogar so weit kam, dass die Kinder Kelly und Jack (der auch einer der beiden Köpfe hinter dieser Dokumentation ist) es ihrem Vater gleich taten und wegen der Sorgen um ihre Mutter ebenfalls ihr Heil in Suchtmitteln suchten.

Szenenwechsel: Ozzys Umkleide während der vorletzten Welttournee. Während sich draußen Zehntausende Jünger auf die Zeremonie ihres Idols einstimmen, schwitzt unser Protagonist gerade auf einem Fitnessgerät, übt sich im Seilspringen und macht Aufwärmübungen für seine Stimme. Die Leute sollen eine gute Show geboten bekommen, dafür hält sich Ozzy fit, ist längst wieder clean und im Begriff, es allen noch einmal zu zeigen. Auch seinen eigenen Kindern, fünf an der Zahl aus zwei Ehen, die unisono im Verlauf von „God bless Ozzy Osbourne“ verlauten lassen, dass unser Held nie ein guter Vater war. Auch daran sieht man, dass dieser Film keine reine Laudatio auf eine Rocklegende werden sollte, sondern das Portrait eines Mannes, der sich seit seiner Kindheit aufgrund mangelnden Selbstbewusstseins immer als schielender Pausenclown mit flotten Sprüchen verkauft hat, um die eigene Unsicherheit zu vertuschen. Da passt es gut ins Bild, dass unser Protagonist heute gern allein in seinem Arbeitszimmer sitzt und malt – nicht für eine große Ausstellung oder dergleichen, sondern nur für sich selbst und ganz in Ruhe. Was auch viel gesünder ist als die vielen Blackouts, Suchtexzesse und die zügellos wirkende Selbstzerstörung, die im Verlauf dieses Films immer wieder thematisiert werden. Ich denke da etwa an Bill Ward („während der Aufnahmen zum Sabbath-Album „Vol. 4“ haben sie uns das Koks in Portionen so groß wie Kornflakesschachteln ins Studio geliefert“), oder an Sharon Osbourne, die ihren Gatten kennt wie niemand sonst und gesteht, dass ihr Mann früher ein Verrückter war, der besoffen und abgefuckt durch den Alltag ging – „und zwar jeden verdammten Tag“. In diesem Zusammenhang kommt natürlich auch die alte Taubengeschichte noch einmal auf den Tisch, sowie die gemeinsame Tour mit Mötley Crüe in den 80ern. Bei besagter US-Tour, die auch in der Crüe-Biografien „The Dirt“ nicht fehlen darf, war das sich Ameisen durch die Nase ziehen noch eine der harmloseren Geschichten – findet auch der neben anderen Musikern zu Wort kommende Tommy Lee, und der ist schon kein Kind von Traurigkeit gewesen. Dass sich Ozzy überhaupt noch an manche Geschehnisse erinnert, grenzt an ein Wunder. So sehen wir den Altmeister zwischendurch auch an seinem Küchentisch sitzen, vor ihm ausgebreitet unzählige Fotos, zu denen er seine Kommentare abgibt. Bei einer Reihe von Musikvideos sieht es da schon anders aus, denn manche der Filmchen scheint der Sänger zum ersten mal zu sehen. O-Ton: „Ich habe keinen Schimmer wann ich das gedreht haben soll“.

 

Die Essenz von „God bless Ozzy Osbourne“ ist wohl, dass dieser Mann aus einem Arbeitervorort von Birmingham trotz Millionen von Fans auf der ganzen Welt nicht die überlebensgroße Ikone ist, für die er gehalten wird, sondern einfach ein (naja, vielleicht nicht ganz) normaler Kerl mit Stärken und Schwächen, der die Beatles und Frank Sinatra verehrt und Gefallen an einem Film wie „District 9“ findet, während ihm romantische Komödien gestohlen bleiben können. Ein Typ, der abgesehen davon für alle Zeit als einer der Erfinder des Metals gelten wird und der auf die Frage, wie er einmal in Erinnerung bleiben möchte, antwortet, dass die Tatsache, dass sich in vielen Jahren überhaupt noch an ihn erinnert wird, allein schon ein Segen ist. Dieser rührende Dokumentarfilm trägt dazu bei, dass das unrühmliche MTV-Kapitel dann nicht mehr als eine Randnotiz sein wird. Ein Ozzy Osbourne braucht nämlich sicher kein Mitleid, aber er verdient unseren ehrlichen Respekt. Respekt für sein Lebenswerk - und dafür, dass er sich selbst überlebt.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de