Opeth "Heritage" / VÖ 16.09.2011


 

 

In den Harmonien erkennt man noch die Verwandtschaft mit dem Vorgängeralbum, und auch Mikael Åkerfeldts Stimme ist natürlich ohne Weiteres zuzuordnen. Ansonsten aber, das dürfte jeder Opeth-Interessierte mittlerweile aufgeschnappt haben, unterscheidet sich "Heritage" so radikal von den bisherigen Alben der Band, dass man durchaus annehmen könnte, es wirke hier eine andere Kapelle als noch auf "Watershed". Dass die Growls mittlerweile ganz aus dem Stilmix der Schweden verschwunden sind, ist dabei gar nicht einmal das vordringlichste Ergebnis der Umorientierung. Und auch der Umstand, dass man die volle Gitarrenbreitseite, die Songs wie etwa "The Leper Affinity", "Deliverance" oder zuletzt "Heir Apparent" mitprägte, auf dem neuen Album vergeblich sucht, ist nichts völlig Neues. Dass sie ohne diese Elemente auskommt, hat die Band schließlich schon vor Jahren mit dem wunderbaren "Damnation"-Album bewiesen. Doch auch als dessen Nachfolger kann man "Heritage" nicht begreifen. Denn trotz Mellotron-Einsatzes und Andy-Latimer-Gedächtnis-Gitarren versprühte "Damnation" nicht ansatzweise eine derartig konsequente Siebziger-Atmosphäre wie die neue Scheibe. Auch liegt der Fokus hier nicht etwa auf durchgängig ruhigen, eher leicht zugänglichen Songs, sondern durchaus auf langen, vielseitigen und zerfahrenen Stücken, die auch hardrockige und anstrengende jazzige Elemente integrieren. Dabei ist nicht nur das Songwritig, sondern auch die Produktion dem neuen Konzept untergeordnet. Die einzelnen Musiker haben dabei die Möglichkeit, neue Facetten ihres Könnens zu zeigen. Wie Drummer Axe schon in unserem Interview erzählt hat, konnte er mit anderen Spielweisen experimentieren. Aber auch der stets geschmackvolle Bass von Martin Mendez nimmt nun eine größere Rolle ein, und Aussteiger Per Wiberg durfte sich zum Abschied noch einmal so hemmungslos wie noch nie auf der Hammond-Orgel austoben.

Herausgekommen ist bei Åkerfeldts neuem Experiment ein atmosphärisch dichtes und düsteres, überraschend "anderes" Album, das auf jeden Fall wert ist, in langen Nächten vor der Stereo-Anlage oder unter dem Kopfhörer erkundet zu werden. Dennoch kann ich mir auch einen Kritikpunkt nicht verkneifen: Die Tendenz Åkerfeldts, manche (für sich genommen großartige) Passagen bar logischer Übergänge aneinander zu fügen und nur durch Pausen oder Fade-ins zu verbinden tritt auf "Heritage" noch stärker hervor, als auf "Watershed", wo dieser Umstand schon den Song "Porcelain Heart" schwer hörbar machte. Freilich liegt es im Auge des Betrachters, ob dies nun ein konsequentes Stilmittel oder ein Manko ist. Für mich stellt dies eher einen kleinen Schönheitsfehler dar, der mich allerdings nicht davon abhält, "Heritage" demnächst gleich wieder eine Runde in meinem Player zu gönnen.

 

Florian Gothewww.sounds2move.de