Oomph! „Des Wahnsinns fette Beute“ / VÖ 25.05.2012
Seit ihre
Plattenfirma Gun in die Analen der Rockgeschichte eingegangen ist, war
es verdammt still geworden um Oomph!. Wer allerdings geglaubt hatte
Dero, Crap und Flux hätten resigniert, der liegt gewaltig daneben! Die
Niedersachsen haben sich bewusst zurückgezogen, um ihre Kräfte zu
bündeln und jetzt mit dem fulminanten „Des Wahnsinns fette Beute“
zurückzuschlagen. Dabei
kommt der Albumtitel nicht von ungefähr, hat das Trio doch all seine
Stärken aus über zwanzig Jahren gebündelt, um sie uns jetzt
entschlossen und mit einem diabolischen Grinsen um die Ohren zu hauen.
Da wird es mal verdammt poppig, dann wieder richtig heavy und im
nächsten Moment elektronisch wie schon lange nicht mehr. Dass keines
der Extreme aus dem Rahmen fällt, ist die große Gabe, die Oomph! seit
jeher auszeichnet. Kaum eine andere deutsche Band bringt die
verschiedensten Stile so locker auf einen Nenner und auf stets kompakt
klingenden Longplayern zusammen. Um begreifen zu können, woher der
Albumtitel rührt und wie man es schafft, mit einem Paukenschlag wieder
auf der Bildfläche zu erscheinen, muss man nur einen Blick auf das
außergewöhnliche Artwork werfen oder – noch besser – das Video zur
ersten Single „Zwei Schritte vor“ anschauen: Weirdo-Faktor 100. Dabei
ist der Song an sich noch relativ harmlos, verglichen beispielsweise
mit „Bonobo“. Scratchen, Electrobeats, Trip Hop und sogar ein
reinrassiges Rap-Intermezzo paaren sich mit fetten Riffs? Klar, erlaubt
ist was gefällt. Das gilt auch für „Kleinstadtboy“, das beinahe schon
was von Deichkind meets Electro Rock hat. Dass man sich die
Keyboardmelodie im Chorus schamlos von einem bekannten 80er Hit geklaut
hat, ist nicht zu überhören, passt aber wunderbar in diese wirklich
clevere Nummer. Wie Sänger Dero „versteckte“ Homosexuelle in scheinbar
harten Männerdomänen wie Hip Hop, Metal und Fußball portraitiert,
gehört ohne Zweifel zur großen Schule deutschsprachiger Textkunst. Ein
anderes gutes Beispiel ist der stampfende Ohrwurm „Deine Eltern“,
dessen geschickt verpackte Moral ist, dass man nicht immer alles
glauben soll was einem so erzählt wird – selbst wenn es von den eigenen
Eltern kommt. Natürlich finden sich auf „Des Wahnsinns fette Beute“
nicht ausschließlich bissige, angriffslustige Experimente und
Reibungspunkte, sondern auch unzählige klassische Oomph!-Gassenhauer
(„Komm zurück“, „Unzerstörbar“, „Such mich find mich“, „Die Geister die
ich rief“). Hinten raus wird es dann noch mal richtig verstrahlt und
zugleich großartig, wenn für „Seemannsrose“ das Schifferklavier
ausgepackt und ein wunderbar doppeldeutiges Matrosenlied angestimmt
wird („zeig mir deinen Mast Matrose“. Den finalen Kontrastpunkt zur
teils intelligenten, teils humorvollen Gesellschaftskritik bildet die
nachdenkliche Gänsehautnummer „Unendlich“, die als Beschreibung einer
gestrauchelten Persönlichkeit daher kommt und die durchaus das Zeug
hat, den Hörer nachdenklich bis aufgewühlt zurück zu lassen. Auch daran
sieht man, dass die Substanz bei Oomph! nach wie vor nicht zu kurz
kommt und die Braunschweiger ihre Hits immer noch am liebsten als
Futter für die grauen Zellen servieren. Mit diesem famosen Album und
der ebenfalls grandiosen neuen Platte der Hosen müssen wir uns um die
deutschsprachige Rockmusik so bald definitiv keine Sorgen machen. Markus Rutten
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