Nickelback „Live at Sturgis 2006“ / VÖ 28.11.2008

 

 

1, 2, 3 – Oberkörper frei! Ok, das war dann meine verbale Entgleisung für heute. Aber daran sind nur Nickelback mit ihrer neuen DVD „Live at Sturgis“ schuld, denn da heißt es mehr als einmal – bisweilen noch von Chad Kroeger animiert – „Horray for Boobies“. Jede Wette, dass dieser Dreher bei unseren verklemmten Freunden in Übersee auf absolute Wal-Mart-Kompatibilität zurecht gestutzt wurde. Doch warum überwiegend betagten Hupen eine solche Bedeutung zuteil werden lassen? Sollte es hier nicht um etwas völlig anderes gehen?

 

Apropos betagt – und damit wären wir endlich beim Thema: Der vorliegende Mitschnitt hat schon locker flockig über 2 Jahre auf dem Buckel und erscheint jetzt quasi zeitgleich mit dem neuen Langeisen „Dark Horse“ und zudem unerklärlicherweise bei einer fremden Plattenfirma. Allen Wirrungen zum Trotz kann sich dieser bei einem bekannten Motorradwochenende in South Dakota vor satten 35.000 Zuschauern eingefangene Mitschnitt definitiv sehen lassen. Üppige 15 Kameras (eine davon gar aus einem über dem Gelände kreisenden Helikopter) fingen den Auftritt der kanadischen Superstars seinerzeit ein und sorgten zudem für erstklassige und gestochen scharfe Bilder. Mit der zweiten Live-DVD ihrer Karriere dokumentieren die Stadionrocker eindrucksvoll, dass sie sich über die Jahre zu einem richtig guten Live-Act gemausert haben, was nüchtern betrachtet zu Zeiten des großen weltweiten Durchbruchs mit dem Klassiker „How you remind me“ noch nicht unbedingt der Fall war. Selbiges Stück darf natürlich seit dieser Zeit in keiner Setlist fehlen und drückt auch in der Sturgis-Version angenehm. Verzichten darf das Quartett natürlich auch nicht auf seine unzähligen gediegenen bis ruhigen Radiohits wie „Far away“, „Savin’ Me“, „Someday“ und das großartige „Photograph“. Diese Nummern kommen – wenn man sich vom Chart-Radio konsequent fernhält und damit einer totaler Übersättigung vorbeugt – auch live wirklich gut und schmälern (für mich doch überraschend) trotz ihrer Vielzahl nicht das Konzertvergnügen. Mitsingen kann die Nummern so oder so fast jeder, richtig interessant wird es aber immer dann, wenn Nickelback ihrem Hengst die Sporen geben wie etwa beim feinen Opener „Animals“, dem groovenden Rocker „Never again“ oder dem ebenfalls sehr live-tauglichen „Too bad“. Die große Geste des Abends gebührt allerdings Gitarrengott Dimebag Darrell, für den bekanntlich „Side of Bullet“ einst komponiert wurde und für dessen Albumversion gar ein waschechtes, der „Far beyond driven“-Ära entstammendes Riff aus dem Nachlass des 2004 auf der Bühne erschossenen Gitarrengottes verwendet werden durfte. Über die große Videowall wird der Texaner dann in Form alter TV-Aufzeichnung zudem indirekt auf die Bühne zurück geholt; eine positiv zu erwähnende Geste von Nickelback, die auch heute noch bei den Shows der Chartstürmer wiederholt wird. Etwas klamm ist hingegen das Set von leider nur 12 Songs, die vom gewachsenen Rock-Entertainer Kroeger und seiner Band zwar engagiert vorgetragen werden und zudem sauber (vielleicht etwas zu sauber?) klingen, wofür aber auch einige Gassenhauer links liegen gelassen werden. Doch dafür entschädigt neben der großzügigen Bühnenshow mit Feuer, Pyro und Rauch auch der Bonusteil, in dem unter anderem das als Rahmen dienende Motorradrennen portraitiert wird und die Band in einem 17-minütigen Interview zu Wort kommt. Ein Musikvideo („Rockstar“) und eine Bildergalerie gehören selbstredend dieser Tage zum Standardprogramm und sind ebenfalls enthalten. Kurzweiliges Paket!

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de / 28.12.2008