Nando Rohner „Wenn der Weg sich gabelt“ / VÖ 16.10.2009

 

 

 

Das hat man nun davon. Da lockt man einen ambitionierten Hobby-Schriftsteller aus seinem Zimmerchen, impft ihm ein, dass es viel mehr Spaß bringt über Rock N Roll zu sinnieren anstatt Kinderbücher zu schreiben und freut sich über einen armen Irren, der seine Freizeit nur zu gern damit zubringt, einem schreibtechnisch ein bisschen Arbeit vom Leib zu halten. Blöd nur, wenn man seinen neuen Sklaven nach einigen Jahren in einem Augenblick der Unachtsamkeit dazu ermutigt bloß auch noch seiner Vorliebe für literarische Kurzgeschichten zu frönen. Wie treiben wir dem Kerl das jetzt bloß wieder aus? Idee! Mit einem saftigen Verriss seiner geistigen Ergüsse!

 

Und hier endet offiziell die Ironie der Einleitung: Denn mein geschätzter Kollege ist dafür nicht nur ein viel zu herzensguter und netter Kerl, sondern sein Erstling „Wenn der Weg sich gabelt“ auch noch viel zu packend und abwechslungsreich geschrieben, als dass es Angriffsfläche für übertriebene Kritik gäbe. Auf 104 Seiten hat der Schweizer hier nämlich tragische, düstere und bisweilen depressive Kurzgeschichten zusammengetragen, die nicht gerade der literarische „Feelgood Hit of the Summer“ sind. Vielmehr werden dunkle Stunden fiktiver Charaktere beschrieben, der Leser folgt manch armer Seele hinein ins alles erstickende Schwarz oder bekommt greifbare Trost- und Hilflosigkeit vorgesetzt. Dauerhaft wird harter Tobak kredenzt, der in Form, Aufbau und Erzählweise immer mal wieder durchschimmern lässt, dass hier auch ein Film-Freak am Werk ist, der Dramaturgien und das Setzen von Höhepunkten aus dem FF kennt und auch auf einige Geschichten in „Wenn der Weg sich gabelt“ übertragen konnte. Von einem Überwerk oder Perfektion zu sprechen wäre sicherlich vermessen und das würde mir vermutlich sowieso niemand abkaufen. Der Autor, dessen Stil ich – auch in musikfremden Territorien – wohl nach Jahren der intensiven Zusammenarbeit unter Hunderten erkennen würde, ging spürbar frisch und unvorbelastet an sein erstes Buch heran, was vielen der Kurzgeschichten eine eigene Note verpasst und „Wenn der Weg sich gabelt“ insgesamt zu einer lesenwerten Angelegenheit macht. Ein Hinweis wäre allerdings noch nötig: Für diesen Schmöker muss man in Stimmung sein und sich auf finstere Erzählungen mit Realitätsbezug einlassen wollen. Denn ein Happy End hat keine der hier verewigten Geschichten. Auf Nachfrage kann ich jedoch auch Entwarnung geben, denn „Wenn der Weg sich gabelt“ ist nicht autobiografisch, sondern fiktiv geschrieben. Grade noch mal Glück gehabt, denn wer kann schon einen manisch depressiven, suizidgefährdeten Kollegen gebrauchen, der sich eines morgens so mir nichts dir nichts vor eine U-Bahn schmeißt und zu allem Überfluss auch noch die ganze Arbeit liegen lässt? ;-)

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de / 07.05.2009