My Dying Bride “The Manuscript“ / VÖ 17.05.2013

  

Hatte ich Englands Gothic-Doom-Institution My Dying Bride im vergangenen November noch für ihr ausgezeichnetes Timing gelobt, so muss ich das jetzt revidieren. Ein Problem, an dem die neue Mini-LP „The Manuscript“ ganz offensichtlich krankt, ist die Jahreszeit ihrer Veröffentlichung. Auch wenn es sich momentan draußen noch nicht wirklich nach Sommer anfühlt, verspüre ich doch irgendwie nicht das Bedürfnis, mich auf die traurige Grundstimmung der Jungs auf Halifax einzulassen und die Epen über Verlust, Herzschmerz und Tränen so richtig an mich heranzulassen. Als weiterer Kritikpunkt an „The Manuscript“ könnte herangeführt werden, dass man hier mit einer kleinen Tradition bricht. Waren die zwischengeschobenen Mini-LPs in der My Dying Bride Historie stets als Experimentalzonen zu verstehen, auf denen die Engländer auch mal Ungewohntes vertonten, so haben wir es hier „nur“ mit vier Songs zu tun, die bei den Aufnahmen zum letzten Studioalbum übrig geblieben sind. Damit will ich nicht behaupten, dass es sich hier um Ausschussware handelt. Ganz und gar nicht. Der Titeltrack, so wie die überlangen Epen „Vår gud över er“ und „A Pale shroud of Longing“ hätten sicherlich auch auf „A Map of all our Failures“ eine gute Figur gemacht. Alle Trademarks von Geige bis Growls sind vorhanden, das richtige Gespür für laute und leise Töne erwartungsgemäß ausgeprägt. Auch der sehr schwermütige Rausschmeißer „Only Tears to replace her“ kann sich sicherlich hören lassen. Nur haben sich Aaron und seine Mannschaft mit dem Zeitpunkt der Veröffentlichung keinen großen Gefallen getan. Hätte man noch ein paar Monate gewartet, hätte nicht nur die Jahreszeit gestimmt, man wäre außerdem zeitlich nicht so dicht am letzten Album dran gewesen. Denn auch eine gewisse Übersättigung könnte bei meiner nicht ganz so euphorischern Reaktion auf „The Manuscript“ eine Rolle spielen.

 

Alexander Dontscheff - www.sounds2move.de