Motörhead „Motörizer“ / VÖ 29.08.2008

 

 

Eine neue Motörhead ist immer auch eine alte Motörhead. Sonst wäre es ja nicht Lemmy. Wenn die ersten Takte von "Runaround Man" ertönen, meint man in der Zeitmaschine ins Jahr 1980 zurückzureisen, oder war es 1982? Oder 1996? Egal. Und dennoch... Es gibt Unterschiede. Motörhead spielen in der Gegenwart gerne mit mehr Bluesanteilen und dazu wie gehabt Rock, Metal und Rock'n'Roll gleichzeitig. Dabei schiebt die Band, was das Zeug hält. Der Opener ist dafür ein gutes Beispiel. "(Teach You How To) Sing The Blues" ebenso. Campbell soliert klar, professionell, dennoch mit Inspiration. Dee böllert sich durch das Schlagwerk, wie es wenige besser können. Sie spielen insgesamt weicher mit mehr Nähe zu ZZ Top als zu "The Hammer"-Zeiten, dennoch ist auch Fast Eddy nie allzu weit entfernt.

 

So ist die "Metropolis"- oder "Iron Horse-Born To Loose"-Attitude ist immer noch da. "When The Eagle Screams" ist solch ein marschierend typischer Motörhead-Midtempotrack. Nichts kann die Reibeisenstimme von Lemmy aufhalten, nichts seinen Bass. Das schnelle "Rock Out" erfreut vor allem wegen der prächtig intonierten Refrainzeile "Rock Out With Your Cock Out". "One Short Life" führt erneut in den orange-türkis-grün schillernden Blues; solche Musik hätten die eigentümlichen Protagonisten von "Clockwork Orange" sicher auch während ihrer abenteuerlichen Ausflüge gern gehört, wenn sie nicht ganz klaren Sinnes waren, was ja durchaus öfter vorkam, wie wir wissen. Der schwere Blues-Vorhang lässt sich nicht ohne weiteres beiseite schieben. "Buried Alive" eröffnet das Charisma von Lemmies rauer Whiskey-Stimme, sie hält nicht immer, aber das macht nichts, der Mann hat gelebt, so kennen wir das ja auch von Cash, Brian Johnson oder den Blues-Rockern von ZZ Top. "English Rose" hätte auch Bon Scott gefallen, ganz klar. Der Boogiemittelteil fände den Beifall von Status Quo. "Back On The Chain" enthält diese virtuos verspielte Gitarrenarbeit von Campbell. In "Heroes" singt Lemmy "Stand Your Ground And Fight...", Text und Melodie erzeugen wohlige Schauer. Meines Erachtens hätten die meisten Songs eine Minute länger dauern dürfen; noch ein paar längere Soli, Bassläufe und Strophen mehr hätten bei dieser Art Midtempotracks nicht geschadet. Aber vielleicht ist das für den guten alten Lemmy auch inzwischen zu anstrengend; nun sitzt er im Schaukelstuhl, trinkt einen Jack Daniels und erfreut sich an dem Kult, der seitens der Gleichaltrigen und der Jüngeren um "Ace Of Spades" und "No Sleep 'Til Hammersmith" gemacht wird.

 

"Time Is Right" bietet Melodie und groovende Gitarren, Wah-Wah-Soli und einen haftenbleibenden Chorus. "1000 Names Of God" ist einer der besten Songs des Albums, wunderbare Slidegitarren, dazu marschierendes Riffing, ein nachdenklicher Text und last but not least der fordernde, forsche nachdrückliche Gesang des Altmeisters, einfach geil! Okay, wir hatten fast alles schon, dennoch, ähnlich AC/DC, ZZ TOP oder Iron Maiden verzeiht das der wirkliche Fan, denn wenn etwas gut ist, warum dann dieses Etwas groß verändern? Und um das Zeug laut im Auto zu hören, ist es bestens geeignet, ebenso um der netten Nachbarin mit der Zahnspange ein wenig Nachhilfe, im Flötespielen hätte ich beinahe gesagt, sagen wir besser im Zupfen der Gitarrenseiten zu geben.

 

M.E. – www.sounds2move.de / 22.08.2008