Motörhead "Bad Magic" / VÖ 28.08.2015

 

 

 

Mit einem richtig schönen Arschtritt namens "Victory or die" brettern Motörhead in ihr 22. Album. Hart, laut, angriffslustig und so entschlossen, als hätte es die vielen besorgniserregenden Schlagzeilen rund um den Gesundheitszustand von Lichtgestalt Lemmy Kilmister nie gegeben. Einen Gang zurückschalten? Kuschen? Gar aufs Altenteil zurückziehen? No fucking Way! Wer seit mittlerweile 40 (!) Jahren derart stoisch und trendresistent sein Ding durchgezogen hat, wird sich kaum von ein bisschen Medizinerkauderwelsch in die Rente komplimentieren lassen.

 

Vielleicht ist wirklich ein bisschen "Bad Magic" im Spiel, dass uns der gute Lemmy immer noch erhalten bleibt und trotz einiger Umstellungen und Zugeständnisse (von Whiskey-Cola wurde auf Wodka-O umgestellt - wegen der Vitamine) zumindest musikalisch in keiner Weise seiner Stärken beraubbar erscheint. Wo andere durch das auszehrende Leben auf Tour, Unmengen von Nikotin und Alkohol (und bekanntermaßen auch so manch anderer Substanz) vermutlich schon längst das Zeitliche gesegnet hätten, bleibt der Motörhead-Frontmann trotz neuerlicher Gehhilfe hart am Wind und scheinbar unzerstörbar. Wie sagte ein britischer Fan in der "Lemmy"-Doku so schön: Wenn die Aliens kommen und eine Atombombe auf die Erde schmeißen, dann werden das nur die Kakerlaken und Lemmy überleben. Schön gesagt und irgendwie zutreffend, denn "Bad Magic" macht keinerlei Anstalten, zahm oder zurückhaltender zu werden, Altersmilde kommt schon gar nicht auf. Stattdessen dröhnen die Songs über weite Strecken schön roh aus den Boxen, es brummt und knarzt allenthalben, während der Übervater des Rock ´n´ Roll seine mancherorts irgendwie immer noch sträflich unterschätzten Texte bellt. Bei "Evil Eye" versucht man sich gar an so etwas wie einem Experiment was den Gesang betrifft und streut ein wenig grollenden Halb-Sprechgesang ein. Ansonsten sind es aber vor allem die bekannten Markenzeichen und Kernkompetenzen, die für gute Laune sorgen: Krachende Rocker ("Thunder & Lightning", "Electricity", "Shoot out all of your Lights"), auch mal eine schöne Melodie ("When the Sky comes looking for you") oder ein bisschen mehr Platz für einen gelungenen Alleingang von Phil Campbell ("Show them how to bleed"), dessen Gitarre hier sogar zeitweise für ungeahnte Harmonien gedoppelt wird. Nicht nur für die Damen gibt es mit "Till the End" außerdem die obligatorische Ballade, die aufgrund ihres eindringlichen Textes auf ganzer Linie überzeugt. Der Rausschmeißer überrascht dann gleich in mehrerer Hinsicht: Nicht nur haben sich Motörhead zu einer Coverversion hinreißen lassen, die Wahl fiel zudem auf einen Klassiker der Rolling Stones. Das ist dahingehend überraschend, als dass Lemmy die Frage "Stones oder Beatles?" seit jeher vehement mit "Beatles!" beantwortet hat. Mick Jagger und Co. passen natürlich stilistisch besser zu Motörhead, die ihre Version von "Sympathy for the Devil" ziemlich souverän vortragen - klassischer Fall von Legende interpretiert Legende. Wäre dies tatsächlich das letzte Album des Trios (wovon niemand ausgehen möchte), dann wäre es ein standesgemäßes Abschiedsgeschenk einer Band, die auch nach so vielen Jahren noch mehr als genug zu sagen und nichts an Relevanz eingebüßt hat. Motörhead bleiben unverwüstlich.

 

Markus Rutten - www.sounds2move.de