Mötley Crüe „Saints of Los Angeles“ / VÖ 27.06.2008

 

 

Nach ihrer Reunion in Originalbesetzung vor ein paar Jahren haben Mötley Crüe anfangs neben breiter Medienpräsenz, allerlei großmäuligen Sprüchen, den üblichen Drogeneskapaden und natürlich interner gegenseitiger Hassgebaren nicht viel auf die Reihe bekommen. Die 2006er Live CD „Carnival of Sin“ war nichts anderes als die bildlose Version der gleichnamigen DVD aus dem Vorjahr und die Best-of Compilation „Red, White and Crüe“ brachte neben 2 neuen (jedoch nicht schlechten) Songs auch keinen wirklich großen Aha-Effekt mit sich.

 

Jetzt haben es die vier Chaoten endlich geschafft ein neues Studioalbum auf die Beine zu stellen, welches pathetisch „Saints of Los Angeles“ betitelt wurde. Dass man neben besagtem Albumtitel auch mit Songtiteln wie „Down at the Whiskey“ oder „Face down in the Dirt“ und „White Trash Circus“ den Bogen zur Herkunft und der eigenen musikalischen Vergangenheit bzw. Hochphase zu schlagen versucht, erkennt der halbwegs informierte Musikfreund auch ohne den autobiografischen Schmunzel-Schmöker „The Dirt“ gelesen zu haben. Und mit „Saints of Los Angeles“ verhält es sich wie mit besagter Bandbiografie. Man mag anfangs skeptisch sein und seine Erwartungen bewusst tief ansetzen, um nicht enttäuscht zu werden. Aber nicht nur das Buch, nein auch das neue Album des Quartetts ist äußerst kurzweilig und gelungen. Nikki Sixx und seine Mannen scheinen sich offensichtlich mächtig zusammengerissen zu haben, um ihre Fans und wahrscheinlich auch sich selbst mit einem bärenstarken Stück Rock N Roll zu überraschen. 13 schmissige Rocker (abzüglich Intro) ergeben hier das Gesamtbild einer Band, die es allen noch einmal zeigen möchte – und dies auch mit Erfolg tut. Natürlich sind Ansagen der Marke „Die beste Platte seit ‚’Dr. Feelgood’“ mehr marketingtechnisches Kalkül als echte Überzeugung, aber dennoch muss man diesem Dreher eine nicht unbeachtliche Hitdichte attestieren. Dass die Grenzen zwischen Glam, Punk, Rock N Roll und minimalen Tendenzen gen Metal dabei fließend verschwimmen, ist ein Glückfall für Mötley Crüe. Denn Stücke wie der Titeltrack „Saints of Los Angeles“ (im „Gang Vocal“ Chorus u.a. durch Jacoby Shaddix von Papa Roach und Josh Todd von Buckcherry unterstützt), „Down at the Whyskey“ oder aber „Welcome to the Machine“ rocken mächtig, stimulieren das Tanzbein und machen schlicht und ergreifend einfach Laune.

 

Damit legen Mötley Crüe völlig überraschend den optimalen Soundtrack für den Sommer vor, der die Anhängerschaft in Europa hoffen lässt, dass die Crüe als bald wieder den Sprung über den großen Teich macht, um nach ihrer „Crüe Fest“-Marathontour in den Staaten auch die alte Welt mit ihrer Anwesenheit zu beglücken. Dass Tommy Lee, Nikki Sixx, Vince Neil und Mick Mars dabei dann wahrscheinlich wieder jeder für sich in seinem eigenen Tourbus reisen werden, damit sie sich nicht gegenseitig die Köpfe einschlagen, fällt dann ganz klar unter „just another lesson in Rock N Roll“.

 

Markus Rutten – www.sounds2move.de / 11.07.2008