Medeia "Cult" / VÖ 26.09.2008

 

 

Das Abholzkommando Medeia aus Finnland gibt uns mit "Cult" kräftig einen auf den Schädel; gut, dass ich den Gelbhelm anbehalten habe. Die Plattenfirma beschreibt den Stil der Band als melodischen, alternativ-orientierten Death Metal. Da liegt sie nicht ganz falsch. Ich finde das auch deshalb treffend, weil man in diesem Fall nicht wirklich von Core-Anleihen oder ähnlichem sprechen kann. Denn Klargesänge im Refrain, Parts für einen brachialen Moshpit oder eine Wall Of Death finden sich kaum; dafür agieren Medeia zu technik-versessen, zu hakelig, zu progressiv.

 

Keifender giftiger Gesang zu flirrenden, technischen Licks und querbeetlaufenden Basslinien bestimmt das ausufernde Hörerlebnis. Bisweilen gibt es melodische Sequenzen, welche sofort von panzerartigen Gitarrenattacken überrollt werden. Klavierspielereien, atmosphärische Breaks und überraschend auftauchende (superbe) Melodielinien verwirren und verführen. Auch Frauengesang wird uns dargeboten. Überhaupt: Die Death Metal-Brachialität wird immer wieder durch beinahe stilfremde Elemente aufgelockert. Der Refrain von "Through Sacrifice" ist grandios geraten; solche Chorusse haben einst guten Death Metal ausgezeichnet: hart, laut, melodisch, prägnant mit sich steigernder, anhebender Melodik. Über mehr als drei Minuten werden die Tracks nicht ausgedehnt. Das ist manchmal schade, denn die Struktur der Tracks ist eigentlich eher auf die Fünf-Minuten-Dauer angelegt. "Manifestation" gerät gesangstechnisch und vom Lick her äußerst anstrengend, ist aber auch nur sehr kurz geraten. "The Architect" zeigt, dass wir es bei Medeias Growler mit einem der besten seines Fachs zu tun haben. Diese Art Grunts, tief, ausdrucksstark, kehlig, aber mit der Möglichkeit, Töne zu halten, passt trefflich zu dieser aggressiven Musik. Auch der Architekt ist recht kurz geraten. "Made Flesh Again" enthält düstere (abnorm gute) Hintergrundmelodik, Pianoklänge, akustische Einsprengsel und härteste Vibes. Diese Band hat großes Talent. Allerdings habe ich immer den Eindruck, dass wir den Chorus nur einmal geboten bekommen. Solche Songs müssen einfach fünf bis sechs Minuten dauern und das einprägsam gute Grundthema sollte unbedingt wiederaufgegriffen werden!

 

Das hektische "Cold Embrace" erfährt durch weibliche (Hintergrund-)Stimmen im Refrain eine dämonische atmosphärische Wandlung; Medeia scheinen besessen, der Kult lebt. Wenn hier Stendahl-Nordström demnächst produzieren sollte, hielte der traditionelle zweite Chorus, ein etwas konventionellerer Songaufbau und eine straffere, etwas gerundete, sagen wir atmosphärischere Strophenphase Einzug. Warum dann nicht sechzig Minuten Medeia? Aber auch so gilt: Diese harten, kryptisch tönenden, mit außergewöhnlich gutem Händchen für gemeingute Choruslinien antretenden Finnen bieten auch sonst feine Ansätze; ich hoffe, dass sie selbige im nächsten Anlauf ausarbeiten, dann gibt es, das verspreche ich, sehr viele Punkte. Gut sind sie jetzt schon.

 

ME – www.sounds2move.de / 10.11.2008