Matt Gonzo Roehr „Blitz & Donner“ / VÖ 19.08.2011


 

 

Matt Roehr, Deutschrockdeutschland vor allem als Gonzo bekannt, hat nach dem Ende seiner einflussreichen Hauptband getan, was sich nicht alle getraut hätten: Er hat etwas vollkommen anderes gemacht. Und wenn ich vollkommen anderes sage, dann meine ich vollkommen anders. Die ersten beiden Soloscheiben des Hessen waren Lichtjahre von den Onkelz entfernt, und das war Absicht und im Grunde genommen auch gut so. Der Mann hat sich ein paar musikalische Träume erfüllt, einfach sein Ding gemacht. Man könnte auch sagen, dass Roehr sich den Kopf frei gespielt hat nach über 20 Jahren Revoluzzer-Rock – und jetzt zu selbigem zurückkehrt.

Kommerzielles Kalkül wird man dem Wahl-Bolivianer kaum unterstellen können, sonst hätte der Gitarrist, der seit dem zweiten Soloalbum auch selbst singt, schon vor Jahren ein deutschsprachiges Straßenrockalbum vom Stapel gelassen. Vielmehr steht ihm wohl der Sinn nach einer Scheibe, die „back to the other roots“ geht wenn man so will, nachdem er zuletzt ausgiebig seiner alten Liebe dem Blues Rock gehuldigt hat. Jetzt wird es also wieder ein bisschen wie früher: Man singt deutsch, der Ton wird insgesamt rauer, die Gitarren giftiger, die Inhalte sowieso. Dabei bekommt die moderne Konsumgesellschaft genauso ihr Fett weg wie manipulative Medien, während der Hörer und potentielle Fan dazu angehalten wird, sein eigenes Ding durchzuziehen und mehr Wert auf Individualität zu legen. Bekannte, aber stimmige Themen also, die mit der dazu passenden, leicht galligen Stimmfarbe des Protagonisten (Dritte Wahl, anyone?) vorgetragen werden. So ganz verabschiedet sich Röhr aber nicht vom Blues, da beispielsweise „Gedankenpolizei“ (O-Ton: „Mit Eunuchen kann man nicht über Liebe reden“) mit einigen souligen Licks daherkommt.

Düster erscheint „Blitz & Donner“ nur auf den ersten Blick, denn schnell kristallisiert sich heraus, dass „Freiheit“ mit seiner heiteren Melodie zur astreinen Mitsingnummer wird, sich „Revolution“ ebenfalls gut mitschmettern lässt, und auch „Sekt oder Selters“ und „Zeitgeistreiter“ knackige Ohrwürmer sind. Da fallen die zwei bis drei mittelprächtigen Nummern, die sich mit auf diesen Longplayer geschmuggelt haben, gar nicht mehr so arg auf, und Matt Roehr meldet sich durchaus viel versprechend in „seiner Szene“ zurück. „Blitz & Donner“ wird den Fans von früher auf jeden Fall munden und die Thronfolger nervös aufhorchen lassen. Gonzo ist zurück und wird sich sicherlich nicht mit einem Platz im grauen Mittelfeld abspeisen lassen. Denn nicht nur wegen seiner handwerklichen Fähigkeiten gehört ein Matthias Roehr in die Spitzengruppe des von ihm mitbegründeten Genres.

 

Markus Ruttenwww.sounds2move.de